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«Unsere Grenzen innerhalb des ED sind oft künstlich»

28.09.2023
Das Erziehungsdepartement gibt sich eine Strategie. Sechs Fokusthemen wurden von der Geschäftsleitung definiert. Conradin Cramer erzählt im Gespräch, wieso der Strategieprozess wichtig ist und was er für Lehr- und Fachpersonen bedeutet.
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Departementsvorsteher Conradin Cramer erzählt im Interview, welche Themen unsere volle Aufmerksamkeit brauchen.

Basler Schulblatt: Die Geschäftsleitung des ED hat eine Strategie erarbeitet. War das ED denn zuvor planlos unterwegs?

Conradin Cramer: Selbstverständlich hatten wir im Departement immer Strategien, vor allem in den einzelnen Bereichen. In den letzten Jahren merkten wir aber, wie wichtig es wird, über die Bereichsgrenze hinauszudenken.

Sie meinen, ein «Rauszoomen» war nötig?

Ja. Es braucht Strategieprozesse, um zu sehen, wie alles zusammenhängt. Wir haben so viele Bäume bei uns im Departement, dass man ab und zu den Wald nicht mehr sieht. Mit der Strategie wollen wir uns darauf besinnen, wofür wir eigentlich da sind und was wir möchten.

Und was möchte das ED?

Die Strategie steht im Zeichen unserer übergeordneten Vision: gemeinsam für Bildung, Familien und Sport. Gemeinsam an einem Strang zu ziehen, ist entscheidend. Das Departement hat eine lange Historie und ist zu einer grossen Organisation gewachsen. Es ist aber kein zufälliges Zusammenkommen von irgendwelchen Themen. Es sind Themen, die man unter «Bildung, Familie und Sport» zusammenfassen kann und die sich gegenseitig bedingen.

Die Strategie kann uns in der täglichen Arbeit helfen, mehr aufeinander zuzugehen im Departement und mehr über die eigene Rolle hinauszublicken: Gibt es noch andere Rollen, die meine Arbeit beeinflussen, oder sollte ich mit meiner Arbeit noch andere beeinflussen?

Was heisst das genau?

Die Geschäftsleitung des ED hat sechs Fokusthemen definiert, die uns in den nächsten Jahren besonders beschäftigen werden. Die Schwerpunkte werden helfen, Projekte besser auszurichten – und zu überlegen: Braucht es das Projekt jetzt? Ist das wirklich ein Fokus, den wir verfolgen wollen, oder sollten wir die Zeit und Kraft nicht für anderes einsetzen?

Was merken Lehr- und Fachpersonen davon?

Im Idealfall werden Lehr- und Fachpersonen – wie alle Mitarbeitenden des ED – merken, dass es eine klarere Orientierung gibt, vielleicht auch, dass mal etwas wegfällt. Zwei Fokusthemen laufen unter «ED der Zukunft», wo es genau darum geht: Wie ermöglichen wir unseren Leuten, dass sie ihre Arbeit möglichst gut und wirkungsvoll machen können? Sie sollen Unterstützung bekommen, wo sie diese von Führungspersonen brauchen, aber nicht beübt werden mit Dingen, die für die tägliche Arbeit gar nicht so viel bringen.

Müssen Lehr- und Fachpersonen etwas beachten?

Lehr- und Fachpersonen müssen sicherlich nichts Zusätzliches leisten. Im Gegenteil. Wenn es uns in den Führungsetagen gelingt, die Strategie gut zu verfolgen, gibt es für Lehr- und Fachpersonen eine Entlastung. Und was auch klar ist: Drei der sechs Fokusthemen – nämlich «Basler Integrationsmodell», «Laufbahnentscheide» und «Neues System Kinderbetreuung» – rücken die entscheidenden Themen an den Schulen noch mehr ins Licht. Diese Themen brauchen unsere volle Aufmerksamkeit.

Sprechen wir über ein paar der Fokusthemen. Ein Ziel lautet, die Tagesbetreuung und die Tagesstrukturen weiterzuentwickeln. Was ist konkret geplant?

Wie gesagt, sind unsere Grenzen innerhalb des ED oft künstlich und bereichsbezogen. Das Thema «Betreuung» ist das beste Beispiel dafür. Betreuung ist ganz wesentlich im Vorschulalter, aber auch parallel zur Schule. Wir müssen sie daher ganzheitlich anschauen. Darum ist das auch eines der Fokusthemen.

Was wird sich ändern?

Wir sind dabei, die Kitabetreuung für alle Seiten – für Erziehungsberechtigte und Fachpersonen – attraktiver zu machen. Die Tagesstrukturen an den Schulen und die Betreuungsstrukturen in den privaten Kitas sind parallel gewachsen. Sie haben unterschiedliche Tarifmodelle und Ausgangslagen, sind aber immer vernetzter geworden. Es braucht gute Anschlüsse und Übergänge, egal ob ein Kind direkt in den Kindergarten geht oder zuvor und parallel eine Kita besucht. Es muss ein Ganzes sein. Die Systeme besser aufeinander abzustimmen, ist eine der grossen Herausforderungen der nächsten Jahre.

Eine weitere Herausforderung wird sein, Jugendliche bei Laufbahnentscheiden besser zu unterstützen. Basel-Stadt schneidet im schweizerischen Vergleich schlecht ab. 15 Prozent der jungen Menschen im Alter von 25 Jahren haben keinen Lehr- oder Mittelschulabschluss.

Ja, wir haben Handlungsbedarf, und eines der Fokusthemen widmet sich genau dem. Wir wollen versuchen, die Entscheidungsfindung für junge Leute so zu verbessern, dass sie nicht vorzeitig abbrechen oder durchfallen – soweit wir das beeinflussen können.

Wie soll das gehen?

Es ist ausserordentlich anspruchsvoll. Wir können aber sicher noch mehr erreichen, auch wenn es schon sehr viele Angebote gibt. Wir müssen versuchen, mit dem Know-how der Lehr- und Fachpersonen jede junge Person individuell zu begleiten, zu schauen, was die richtige Laufbahn ist, und den Jugendlichen Wege zu ermöglichen, so gut wir das können.

Wir sehen einen Trend, dass es viele Jugendliche gibt, die sich überfordern. Sie drängen sich selbst in eine Laufbahn oder werden in eine Laufbahn gedrängt, bei der sie nicht reüssieren können. Dann gibt es Frustrationserlebnisse, die man vermeiden könnte.

Ein weiteres Thema, das in der Strategie nicht fehlen darf: die integrative Schule.

Ja. Das Basler Integrationsmodell muss ein Fokusthema sein. Es stellt uns vor grosse Herausforderungen und wird uns weiterhin intensiv beschäftigen. Wir sind mitten im politischen Prozess und dabei, die integrative Schule so zu stärken, dass sie funktionieren kann.

Auch dieses Thema ist bereichsübergreifend. Es betrifft selbstverständlich die Volksschulen, aber auch die weiterführenden Schulen – und die Zeit vor der Schule mit der Frühförderung.

Wieso beschäftigt sich keines der Fokusthemen mit Schulraum?

Klar, der Schulraum ist ein sehr wichtiges Thema, auch wenn er nicht als einzelnes Fokusthema auftaucht. Es kommt darauf an, von welcher Seite man etwas beleuchtet. Wir wollten nicht den Raum als solches in den Vordergrund stellen, sondern den Inhalt von dem, was wir unter Bildung verstehen. Bei den Veränderungen der integrativen Schule denken wir den Schulraum mit, und natürlich gehört auch bei der Betreuung der Raum dazu.

Mit der Strategie im Sack geht’s weiter – was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Wir haben so unglaublich viel Know-how in unserem Departement! Da finde ich es manchmal schade, dass dieses nicht voll genutzt wird. Um das zu ändern, muss man sich kennen, miteinander reden und das Silodenken überwinden. Die hierarchischen Barrieren sollen möglichst klein sein, aber auch die horizontalen. Der bereichsübergreifende Austausch soll von den Leuten kommen. Wir von der Geschäftsleitung werden ihn fördern.

Interview: Tamara Funck

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