Positionen zu Jahrespromotion und «Checks»
Seit Jahren ist es der KSBS ein Anliegen, die zum Teil enorme Notenlast und Prüfungsdichte in der Volksschule auf ein pädagogisch «sinnvolles» Mass zu beschränken. Sinnvoll heisst hier: Die Übertritte – insbesondere an den Schnittstellen Primarstufe/Sek I und Sek I/Sek II – müssen auf einer Grundlage erfolgen, welche einerseits breit abgestützt und nachvollziehbar ist und andererseits Fehlzuweisungen beim Stufenübertritt möglichst verhindert.
Aktuell bestimmt nach sechs Jahren Primarschule ein Noten-Algorithmus die Zuweisung beim Übertritt in einen der drei Leistungszüge der Sekundarschule I. Zudem regeln Bestimmungen innerhalb der Sekundarschule I den Verbleib bzw. Wechsel zwischen den Leistungszügen (Durchlässigkeit). Ein weiterer Algorithmus gestaltet den Übertritt aus der Sekundarschule I in die nachobligatorischen Schulen. Zudem wurden ab 2018 folgende «Verschärfungen» eingeführt: Notenband, Semesterzeugnisse in der 6. Primarschulklasse und in allen drei Jahren der Sekundarschule.
Ergebnisse aus der «AG Algorithmus» und der Umfrage zur Jahrespromotion
Auf Anfrage des Erziehungsdepartements (ED) setzte die KSBS eine «AG Algorithmus» ein, deren Auftrag vom ED wie folgt umschrieben wurde: «…einen neuen Algorithmus vorzuschlagen, der den Leistungsdruck für die Schüler und Schülerinnen in der 6. Primarklasse reduzieren und die Zuweisung in die Leistungszüge der Sek I auf der Basis von mindestens drei Fächern ermöglichen soll». In ihrem Schlussbericht Ende 2019 schlug die AG zwar einen veränderten Algorithmus vor, hielt aber als zentralen Punkt Folgendes fest:
«Der Hauptgrund für die erhöhte Belastung der Schülerinnen und Schüler der 6. Klassen ist nicht der bestehende Algorithmus, sondern die Tatsache, dass in der 6. Klasse zwei Zeugnisse abgegeben werden müssen. Dadurch entsteht massiver Zeitdruck, der zu Stress führt. Die AG schlägt vor, in der 6. Klasse nur noch ein Zeugnis im Frühling (so spät wie möglich, so früh wie nötig) abzugeben, das über die Zuweisung in einen Leistungszug der Sekundarschule entscheidet.»
Das ED signalisierte daraufhin die Bereitschaft, die Frage der Jahrespromotion zu prüfen – allerdings im Rahmen einer Gesamtschau für die ganze Dauer der Volksschule. Die KSBS führte deshalb eine repräsentative Umfrage durch, deren Ergebnisse nun vorliegen:
(1) Eine einheitliche Lösung für die gesamte Volksschule ist aus Sicht der Lehr- und Fachpersonen zwar wünschenswert (nice-to-have), aber nicht prioritär (need-to-have).
(2) Es werden stufenspezifische und zyklusgerechte Lösungen bevorzugt, welche auf die unterschiedlichen pädagogischen und schulorganisatorischen (schulsystemischen) Bedürfnisse pro Stufe/Zyklus eingehen.
(3) In der Sekundarstufe I werden die – erst 2019 eingeführten – Semesterzeugnisse nach wie vor unterstützt.
(4) Die Primarstufe spricht sich eindeutig für die Jahrespromotion auf ihrer Stufe – und insbesondere für die 6. Klasse – aus.
(5) Die Primarstufe zeigt sich offen für «alternative» Beurteilungsformen, auch bei der Zuweisung von Schülerinnen und Schülern in die Leistungszüge der Sekundarstufe I. Auf der Sekundarstufe 1 bestehen strukturelle Vorbehalte gegen einen System-Wechsel, selbst wenn die pädagogischen Chancen («Mehrwert», «mehr Luft») von einer Mehrheit gesehen werden.
Empfehlungen der KSBS
Aus Sicht der KSBS drängt sich auf der Grundlage der Umfrageergebnisse vor allem in der Primarschule (6. Klasse) ein Wechsel zur Jahrespromotion auf. Zudem zeigen sich drei mögliche Handlungsfelder für die Schul- und Unterrichtsentwicklung:
(1) Riesige Bereitschaft auf der Primarstufe zur pädagogischen Innovation bezüglich «alternativer» Bewertungs- und Beurteilungsformen. Diese Bereitschaft stellt eine enorme pädagogische Ressource dar und darf nicht verschleudert werden. Auch auf der Sekundarstufe I ist diese Bereitschaft zur pädagogischen Innovation deutlich vorhanden.
(2) Aus Sicht der KSBS sollte darüber nachgedacht werden, wie sich – zusammen mit den Kollegien und Lehrpersonen der Sekundarstufe I – ein Schulentwicklungsprozess anstossen lässt mit dem Ziel: Schülerinnen, Schüler und Lehrpersonen vom permanenten Leistungsdruck zu entlasten («mehr Luft» für andere pädagogische Zielsetzungen und Projekte), ohne die Entscheidungsgrundlagen für Promotionsentscheide und Leistungszugwechsel zu schwächen.
CHECKS – «harte» Evaluation bestärkt die Position der KSBS
Die Lehr- und Fachpersonen in Basel-Stadt stehen den sog. «Leistungschecks» seit ihrer Einführung im Bildungsraum Nordwestschweiz sehr kritisch gegenüber. An der kantonalen Gesamtkonferenz 2017 wurde eine Resolution zur Abschaffung der Leistungschecks mit überwältigender Mehrheit angenommen. Aufgrund der Kritik aus Politik und Bildungspraxis versprach das ED im Rahmen eines Massnahmenpakets eine «harte» Evaluation. Diese wurde der KSBS im März 2022 vorgelegt, worauf die KSBS in ihren Gremien ihre 2017 formulierte und danach weiterentwickelte Position zu den Checks überprüft und angepasst hat.
Der Evaluationsbericht bestärkt die KSBS in ihrer Haltung und bestätigt die Kritik an den Checks und ihrer Implementierung. Die sog. «Leistungschecks» kennen keine klare Zielformulierung: Sie sollen gleichermassen der Individualförderung und der Steuerung des schulischen Gesamtsystems dienen. Von den befragten Anspruchsgruppen werden die Checks zwar unterschiedlich bewertet, für die KSBS ist aber zentral, dass die Direktbeteiligten – also Schülerinnen und Schüler, Lehr- und Fachpersonen – in den Checks kaum einen Nutzen sehen. So lassen sich vor allem beim Check P3 und beim Check P5 keine Fördermassnahmen ableiten, welche nicht bereits anderweitig bekannt sind. Denn es existieren bereits Instrumente, die niederschwelliger und kostengünstiger einsetzbar sind und für die Lehr- und Fachpersonen einen direkteren Nutzen bezüglich Individualförderung nach sich ziehen. Somit sind die Checks als Förderinstrument in der jetzigen Form in der Primarstufe nicht geeignet. Auch für die Eltern bringen die Checks kaum neue Erkenntnisse, sondern bestätigten lediglich vorhandene Erwartungen. Auch beim Check S2 ist nicht nachweisbar, dass er – wie postuliert – die Chancengerechtigkeit bei der Lehrstellensuche verbessern kann: Weder konnten die Checks die privaten Tests ersetzen noch ist der Check für Betriebe von Nutzen. Noch im Antwortschreiben auf die GeKo-Resolution hatte der Departementsvorsteher 2017 formuliert: «Diese Ziele werden überprüft – sie sollten bei den Ausbildungsbetrieben in zwei bis drei Jahren und (…) voraussichtlich bis Ende 2018 erreicht sein. Sollten die Ziele nicht erreicht werden, steht auch die Durchführung der Checks auf dem Prüfstand.»
Neben den genannten Beispielen werden auch weitere Erfahrungen und Einschätzungen durch den Evaluationsbericht gestützt. So seien die Checks – insbesondere der Check S2 zu sprachlastig und umfangreich, wodurch ganze Schülerinnen- und Schülergruppen benachteiligt werden und ihr Potential nicht zeigen können. Auch lässt sich aufgrund des vorliegenden Berichts die Ausweitung der Checks zum Beispiel auf die Sekundarstufe II weder breit abgestützt noch nachhaltig begründen. Vielmehr ist die Verbindlichkeit der sog. «Leistungschecks» (insbesondere für die Primarstufe) grundsätzlich zu überdenken. Denkbar ist für die KSBS einzig eine Nutzung der Checks zur gesamtheitlichen Steuerung des Schulsystems – beispielsweise im Rahmen freiwilliger und gezielter Stichproben, was dann auch (im Unterschied zu heute) mit einem finanziell und organisatorisch verhältnismässigen Aufwand zu bewerkstelligen wäre.
Simon Rohner und Mike Bochmann Grob, Präsident und Vize-Präsident KSBS
Weiterführende Information zur KSBS-Umfrage und zur KSBS-Haltung zu den Checks finden sich auf der KSBS-Homepage: https://ks-bs.edubs.ch/