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Teil 4: Ein Jahr unterwegs mit Mitgliedern des Konferenzvorstands

08.05.2023
Drei langjährige Konferenzvorständinnen berichten von ihrem Arbeitsalltag: Aktuelle Themen sind die zunehmende Belastung für Lehrpersonen, die integrative Schule und die Optimierung der eigenen Arbeit.
Bild Legende:

 «Die zunehmende Belastung der Lehrpersonen beschäftigt uns»

Judith Röthlin, Konferenzvorständin Sekundarschule St. Alban

«Meine langjährige Amtskollegin Anna Fowler und ich lieben es, über den Tellerrand des Unterrichtens zu blicken und für den Informationsfluss zwischen den unterschiedlichen Gremien zu sorgen. Aktuell beschäftigt uns die zunehmende emotionale und zeitliche Belastung der Lehrpersonen. Wenn jemand aus dem Kollegium zu uns kommt, versuchen wir, das Problem konkret zu fassen. Und da liegt bereits die erste Herausforderung: Diese Belastung besteht nämlich selten aus klar benennbaren grossen Brocken, sondern aus einer Flut von vielen kleinen Sächeli und Aufgäbeli, die uns allen den Alltag erschweren und Zeit fressen. Oft handeln wir wichtige Dinge zwischen Tür und Angel in der Pause ab, weil im Schulalltag der Raum dafür fehlt. Die Tendenz zeigt in Richtung von zunehmendem Stress.

Wir haben zwei Erklärungen dafür: Einerseits ist da die fortschreitende Digitalisierung unseres Alltags, es gibt immer neue Tools, die wir in unserer Arbeit mitberücksichtigen müssen und die oft Mehrarbeit generieren. Zudem werden die Übergänge zwischen Arbeit und Freizeit zunehmend fliessend, denn alle sind ständig erreichbar. Da müssen bewusst Grenzen gesetzt werden. Andererseits hat sich die Rolle der Lehrpersonen in den vergangenen Jahren gewandelt. Man wird weniger als Autorität wahrgenommen und muss sich vermehrt erklären oder rechtfertigen gegenüber den Schülerinnen und Schülern und deren Eltern. Das beobachten wir in allen Leistungszügen. Es geht um Disziplin und Verhalten, aber auch um Beurteilungskriterien und Noten. Die Elternarbeit wird dadurch deutlich anspruchsvoller.

Ausserhalb des Klassenzimmers sind die Einführung des Fachs Medien und Informatik auf der Sekundarstufe I und die integrative Volksschule grosse Themen. Wir würden es sehr begrüssen, wenn da die Meinungen der Lehr- und Fachpersonen, die das dann ja auch mittragen müssen, besser wahrgenommen und noch stärker in allfällige Massnahmen miteinbezogen würden und die Kommunikation so angelegt wäre, dass alle Betroffenen direkt über die Entwicklungen informiert würden.»

Aufgezeichnet von Charlotte Staehelin

«Wir benötigen noch viel Aufklärungsarbeit»

Christina Keller, Konferenzvorständin Primarstufe Hirzbrunnen

«Die integrative Schule liegt mir am Herzen. Ich denke, wir müssen diesbezüglich erst noch eine gemeinsame Haltung entwickeln. Wie viele andere sehe auch ich den dringendsten Handlungsbedarf bei der Integration. Wir sind ein IK-Standort und haben somit Integrationsklassen. Nach der dritten Klasse durchmischen wir: Von jeder Klasse kommt ein Drittel in eine Integrationsklasse. Doch viele Kinder und Eltern wissen nicht, was das genau bedeutet.

Es ist für uns alle wichtig zu verstehen, dass es verschiedene Kinder gibt, die unterschiedliche Bedürfnisse haben. Für alle hat es Platz. Es soll nicht unterschieden werden zwischen Regelklassen und Integrationsklassen. Auch in der Regelklasse gibt es Kinder, die verstärkte Massnahmen benötigen, sie haben jedoch keinen IK-Status. Das Miteinander sollte verstärkter gelebt werden, auch von uns Lehrpersonen. In den Integrationsklassen sind mehr Ressourcen vorhanden, weil sie dort benötigt werden. Doch auch in den Regelklassen braucht es mehr Unterstützung.

Für Eltern ist es im Prinzip nicht so wichtig, in welche Klasse ihr Kind kommt. Da benötigen wir noch viel Aufklärungsarbeit in der Gesellschaft. An den Erstklass-Elternabenden stellen wir das Konzept der Integrationsklassen vor. Doch nach drei Jahren Regelklasse ist dieses Thema bei den Eltern nicht mehr präsent. So entstehen manchmal völlig unberechtigte Vorbehalte und Ängste.

IK-Klassen sind auch für die Regelkinder eine Chance. Man profitiert viel, wenn man auch mit Kindern zusammen ist, denen nicht alles so einfach gelingt. So reagieren diese Kinder dann oft gelassener, wenn zum Beispiel jemand im Bus herumschreit oder jemand an der Kasse Mühe hat. Für unsere Gesellschaft sind offene Menschen enorm wichtig. Und genau das meine ich damit, wenn ich sage: Wir müssen eine gemeinsame Haltung entwickeln. Wir sollten alle am selben Strick ziehen und schauen, dass alle Kinder in die Schule kommen können – natürlich mit den nötigen Ressourcen.»

Aufgezeichnet von Jacqueline Visentin

«Nachhaltigkeit ist mir in meiner Arbeit wichtig»

Veronika Mickisch, Konferenzvorständin Gymnasium Kirschgarten

«Nachdem wir seit Beginn des Schuljahres im Konferenzvorstand zu viert sind, geht es nun darum, unsere internen Abläufe zu optimieren und die Ausrichtung so zu schärfen, dass die Anliegen unserer Kolleginnen und Kollegen aus dem Lehrkörper bei uns möglichst gut aufgehoben sind. Dazu haben wir demnächst eine Retraite mit einer Moderatorin organisiert, auf die ich sehr gespannt bin. Etwas später folgt dann noch eine Klausur gemeinsam mit der Schulleitung. Dazu haben wir unsere Kolleginnen und Kollegen aufgefordert, uns mitzuteilen, was sie von uns thematisiert haben möchten. 

Ein Knackpunkt an unserer Position ist ja, dass wir einerseits offen sein wollen für möglichst viele Anliegen, andererseits aber natürlich auch unsere Grenzen kennen müssen. Wir können nicht für alles zuständig sein. Wenn es zum Beispiel darum geht, die Schulentwicklung strategisch aufzugleisen, dann bleibt das Sache der Schulleitung. Wir sehen uns da eher als eine Art Echokörper. Eine weitere Herausforderung ist es, die Anliegen nachhaltig zu bewirtschaften, das heisst, über einen längeren Zeitraum voranzutreiben und zu begleiten und nicht laufend von Tagesaktualitäten überrollt zu werden. 

Deshalb haben wir uns entschieden, die Konferenz prinzipiell in zwei Teile zu gliedern, einen Informationsteil und einen Diskussions- und Partizipationsteil. Damit öffnen und vertiefen wir die Konferenz und können die Nachhaltigkeit von Diskussionen und Anliegen besser überprüfen, da wir den Verlauf gewisser Geschäfte in der Diskussion wiederholt aufnehmen können.

Ein Beispiel aus der Praxis ist etwa die hohe administrative Belastung der Kolleginnen und Kollegen, die in kleinen Pensen in unterschiedlichen Klassen unterrichten und dadurch in zahlreiche Teamsitzungen eingebunden werden. Dies ist nur einer der Fälle, wo die Verteilung der Arbeiten in den 15% der Jahresarbeitszeit, die allen Lehrpersonen für Tätigkeiten in Ergänzung zum Unterricht zur Verfügung stehen, nicht klar genug geregelt sind.

Mir ist es bei meiner Arbeit wichtig, dass wir nicht ins Jammern kippen, sondern einen Sachverhalt positiv formulieren und konstruktiv verarbeiten. Mit diesem Ansatz macht meine vermittelnde Tätigkeit Sinn und Freude.»

Aufgezeichnet von Charlotte Staehelin

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