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Myni Schuelzyt

22.06.2021
Die Schule ist weit mehr als eine Unterrichtsstätte. Sie ist über viele Jahre hinweg ein zentraler Lebensraum für Schülerinnen und Schüler. Das hinterlässt Spuren. Und bedeutet: Lehrpersonen tragen Verantwortung nicht nur für den Lernerfolg – sie sind auch wichtige Vorbilder. Denn Lehrpersonen sind immer auch Rollenmodelle.
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Nicht selten hinterlassen sie prägende Erinnerungen – im Guten wie im Schlechten. Wobei: Mit der Erinnerung ist es so eine Sache. Sie ist zwar subjektiv wahr, wie Psychologieprofessor Alexander Grob im Schulblatt-Interview sagt, aber entspricht nicht unbedingt den Tatsachen. Wir neigen dazu, Erinnerungen zu überhöhen – positive wie negative.
Wie haben Sie Ihre Schulzeit erlebt? Was hat Sie geprägt? Diese Fragen hat das Schulblatt Basler Persönlichkeiten gestellt. Mag sein, dass manches im Rückblick verklärt wird oder in Wirklichkeit nicht schlimm war. Mag sein, dass die Erinnerungen nicht 1:1 den Tatsachen entsprechen. Aber offenbar waren sie prägend.

Wie uns die Schulzeit prägt

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Prof. Dr. Alexander Grob

Professor Dr. Alexander Grob ist Professor für Entwicklungs- und Persönlichkeitspsychologie und Leiter der postgradualen Ausbildung in Kinder- und Jugendpsychologie an der Universität Basel. Das Schulblatt befragt ihn zum Einfluss der Lehrpersonen auf den Werdegang von Kindern und Jugendlichen.

Basler Schulblatt: Herr Grob, wie haben Sie selber Ihre Schulzeit erlebt?

Prof. Dr. Alexander Grob: Insgesamt war es eine schöne Zeit, wobei ich mich sofort an Höhen und Tiefen erinnere. Ich habe im Verlauf der dritten Klasse aufgrund unseres Umzugs in die Nachbargemeinde einen Orts- und Klassenwechsel erlebt. Das Lernen in der neuen Klasse bereitete mir kaum Mühe, aber das Einfinden in das gefestigte Sozialgefüge der Klasse war für mich sehr schwierig. Ich war damals häufig einsam und traurig. Später bereitete mir der Wechsel von der Primar in den gymnasialen Zug der Sekundarstufe I Schwierigkeiten und den Eltern Sorgen. Wenn ich aus heutiger Sicht das damalige Zeugnis betrachte, war es halb so wild. Der Notendurchschnitt sank, aber die Promotion war nicht in Gefahr. Ich war anfänglich überfordert mit dem Fachlehrersystem. Mir fehlte ein enger Bezug zur Lehrkraft und die Führung, wie ich das auf der Mittelstufe erfahren habe. Das Fachlehrkraftsystem einmal verstanden, erlebte ich das Gymnasium später fast paradiesisch.

Inwiefern?

Es gab viel Zeit, um mit Freunden zu sinnieren, wie die Welt besser werden könnte und was die Vorgängergeneration –unsere Eltern – nicht richtig machten, Zeit für wilde Partys und für Sport. Mein Notenschnitt bewegte sich damals im Bereich «Promotion gefährdet». Das war subjektiv nicht problematisch, sondern cool. Und die drei Fächer, die mich fesselten, kompensierten das Leiden in den anderen. Erst im zweitletzten Jahr vor der Matura kam ein gewisser Leistungshunger auf. So viel zu meinen persönlichen Erinnerungen. Aus der Psychologie wissen wir aber, dass wir Erlebnisse nicht 1:1 erinnern. Entsprechend sind die retrospektiven Erinnerungen subjektiv zwar wahr und richtig, aber stellen auch eine Glättung dar und eine Passung in die Geschichte «So war meine Schulzeit». Dabei überhöhen wir in der Regel sowohl positive wie negative Erfahrungen.

Rund 10‘000 Stunden verbringen Schülerinnen und Schüler während der obligatorischen Schulzeit in der Schule. Das ist fast gleich viel wie zuhause – oft sogar mehr. Wie bedeutend ist der Faktor Schule für die Entwicklung eines Kindes respektive Jugendlichen?

Die Schule ist ein Ort, an dem das Kind lernt. Zunächst einmal die Kulturtechniken Lesen, Schreiben, Rechnen und den Umgang mit Informations- und Kommunikationsmitteln. Darauf aufbauend erwirbt es Inhalte, die zunehmend spezifischer werden, sich in Fächer gliedern, die wiederum interdisziplinäre Anknüpfungspunkte haben. Aber es sind nicht nur die Kulturtechniken und deren Inhalte, die das Kind in der Schule lernt. Es lernt dort auch den sorgsamen Umgang mit Gleichaltrigen und – fernab elterlicher Unterstützung – wie schwierige Situationen gemeistert werden können. Beispielsweise, wie man mit Erfolg und Misserfolg umgeht, wie man Freude oder Unmut im Klassen- und Freundeskontext äussert. Oder wie man es verkraftet, dass man ein eher beliebtes oder unbeliebtes Kind in der Klasse ist.

Wie prägend sind die Lehrpersonen für die Schullaufbahn und die persönliche Entwicklung ihrer Schülerinnen und Schüler?

Sie sind ein wichtiger Teil im Leben von Schülerinnen und Schülern. Daneben gibt es viele Kontexteffekte: das Bildungssystem generell, schulorganisatorische Bedingungen, die Erwartungshaltungen der Eltern und selbstverständlich individuelle Faktoren des Kindes wie das kognitive Potenzial, die Lernmotivation oder die Persönlichkeit. Für die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler relevant sind neben den fachlichen und didaktischen Kompetenzen der Lehrpersonen auch deren soziale Kompetenzen. Denn Lehrpersonen sind immer auch Rollenmodelle. Besonders wie sie mit Konflikten umgehen, hat einen nachhaltigen Einfluss auf die psychosoziale Entwicklung der Schülerinnen und Schüler. Es gilt, soziale Spannungen früh zu erkennen und allfällige Interventionen mit allen Beteiligten breit abzustützen: mit der Klasse, dem Kollegium, der Schulleitung, den Eltern. Dies wirkt sich nachfolgend positiv auf das Klassenklima und damit auf die einzelnen Schüler und Schülerinnen aus. Sie erleben so die Schule als zuverlässige und respektvolle Kontakt- und Begegnungsstätte.

Und was kann eine einzelne Lehrperson konkret tun, um die Entwicklung ihrer Schülerinnen und Schüler positiv zu beeinflussen?

Sich als Rollenmodell verstehen. Sich bewusst sein, dass Kinder und Jugendliche eigenständige Bedürfnisse haben, die mitunter nicht mit den Zielen des Curriculums übereinstimmen. Und dass anstrengende Momente wie Unterrichtsstörungen nicht zwangsläufig gegen die Lehrperson gerichtet sind, sondern Ausdruck eines inneren oder verinnerlichten Konflikts sind – sei es mit Freunden, mit den Eltern, mit Leistungsüberforderung, mit Identitätsentwicklung etc. In diesem Fall gilt es, dem Kind Hilfe anzubieten oder es an entsprechende Unterstützungsdienste weiterzuleiten. Immer hilfreich ist es, über Konflikte altersgemäss zu diskutieren, Lernarrangements gemeinsam zu regeln und Konsequenzen von Regelübertretungen vorgängig abzusprechen. Stichwort: Klassenmanagement.

Was stresst Schülerinnen und Schüler am meisten

Der grösste Stressor ist ein auf sozialen Wettbewerb ausgerichtetes Schulklima. Dem können eine entsprechende Schulhauskultur sowie die Lehrpersonen mit ihren umfassenden sozialen Kompetenzen entgegenwirken. Es zeigt sich immer wieder: Schülerinnen und Schüler, die die Schule als unterstützend wahrnehmen und eine Schulkultur erleben, die nicht Konkurrenzdenken fördert, sondern am individuellen Lernfortschritt interessiert ist, zeigen in der Folge deutlich mehr Selbstwertgefühl und weniger depressive Stimmungen.

Wie wichtig ist der Einfluss der Mitschülerinnen und Mitschüler?

Gleichaltrige nehmen mit zunehmendem Alter an Bedeutung zu – in der Freizeit und im Schulalltag. Gemeinsame Aktivitäten und die Akzeptanz durch Peers sind für das Selbstwertgefühl häufig wichtiger als die Schulleistung. Eine besondere Herausforderung sind darum Stufenübertritte, wenn Gruppen neu zusammengesetzt werden. Neue Freunde und Freundinnen müssen gesucht werden, dabei besteht die Gefahr des Misslingens. Gleichzeitig trauert man vielleicht der alten gewohnten Situation nach.

Gibt es ein Zeitfenster, in dem der Einfluss der Schule besonders prägend ist?

Besonders sensible Phasen sind Stufenübertritte, meist verbunden mit einem Wechsel in ein neues System. Sie können sich sowohl positiv wie negativ auf die Befindlichkeit auswirken. Häufig kann man bei Schulübertritten sehen, dass ein Gefüge neu geordnet wird. Es ergibt sich die Chance, eine neue Rolle innerhalb einer Klasse zu finden. Besonders einschneidend ist der Wechsel von der Primarschule in die Sekundarschule mit ihren Leistungszügen. Es bedeutet einen Wechsel von einem inklusiven in ein selektives System und Jugendliche fragen sich zunehmend bewusst: Wer bin ich? Was kann ich? Was ist meine Leistung wert? Auf der Stufe Sek II ist interessant zu beobachten, dass bei vielen die allgemeine schulische Leistung nachlässt, ausser in den Fächern, die sie besonders interessieren.

Was sollten Lehrpersonen möglichst vermeiden?

Sich innerlich von den Anliegen der Schule und der Schülerinnen und Schüler zu verabschieden. Aufhören, ein positives Rollenmodell zu sein. Die Schulwelt als gegen sich selber gerichtet wahrzunehmen. Sich zu überfordern und dabei Gefahr zu laufen auszubrennen. Es ist mir vollkommen bewusst, dass dies ausserordentlich anspruchsvolle Aufgaben und Aufforderungen sind. Und ebenso weiss ich, dass Lehrkräfte kaum Würdigung und Anerkennung für eine anhaltende positive Haltung gegenüber der Klasse erhalten. Hierfür sensibel zu sein und nach Möglichkeiten zu suchen, wie diese Tatsachen verändert werden können, ist meines Erachtens das zentrale Anliegen für das Gelingen einer guten Schule. Und damit eine mehr als gerechtfertigte Investition in die jetzige und die nächsten Generationen von Schülerinnen und Schülern.

Interview Yvonne Reck Schöni

Wie war das bei euch?

Das Schulblatt hat Basler Persönlichkeiten nach prägenden Erinnerungen an ihre Schulzeit befragt.

Unser Auftritt war ein Desaster

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An der Abschlussfeier in der 9. Klasse hatte ich den ersten Auftritt mit meiner damaligen Band, die ich zusammen mit ein paar Schulkollegen gegründet hatte. Ein Desaster! Die Aula war bis unter die Decke vollgestopft mit unserem Equipment und die Verstärker waren alle bis aufs Maximum aufgedreht. Es muss ohrenbetäubend gewesen sein. Als nach zehn Minuten die Sicherungen durchgebrannt sind, war der Spuk leider bereits wieder vorbei. Ich glaube, der Rektor war nicht unglücklich darüber...

Adrian Sieber, Musiker und Lehrer (PS Isaak Iselin)

«Räuber und Poli»

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Wenn ich an meine frühe Schulzeit denke, kommen mir vor allem Erinnerungen an den Pausenhof des Erlensträsschens in Riehen in den Sinn. Am Nachmittag kamen wir regelmässig viel zu früh zum Schulhaus, um auf dem weitläufigen Schulgelände «Räuber und Poli» zu spielen. Und in jeder Pause gab es einen Fussballmatch. Die Verbissenheit ist durchaus mit einem Derby zwischen dem FC Basel und dem FC Zürich vergleichbar. Wichtig war vor allem, dass man als einer der Ersten auf dem Pausenhof war, sobald die Glocke läutete. So konnte man ein paar Sekunden länger «schutten». Von den Klassenzimmern bis zum Pausenhof gab es sehr viele Treppenstufen. Diese nahm ich immer im schnellstmöglichen Laufschritt. Ich bin heute noch froh, dass ich mir dabei nie etwas gebrochen habe.

Conradin Cramer, Vorsteher Erziehungsdepartement Basel-Stadt

Freundeskreis fürs Leben

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Ich ging sehr gerne in die Schule. Das war das damalige RG, heute Gymnasium Kirschgarten. Was ich am besten fand: Man konnte sich im Rahmen der Schule einen Freundeskreis aufbauen, der bis heute besteht. Ich gehörte erstaunlicherweise immer zu denjenigen, die sehr brav waren. So richtig «Saich» habe ich nie gemacht, das traute ich mich nicht. Beim Zeichnungsunterricht störte es mich zum Beispiel wirklich, wenn es wieder zu einer «Schwumm-Schlacht» kam. Ich liebte das Zeichnen sehr, da passte ein aufs Papier klatschender Schwamm überhaupt nicht! Sehr schöne Erinnerungen habe ich auch an das RG-Studienheim in La Ferrière. Dort probten wir für unser Theater, das sind einfach schöne Momente, die ich nicht missen möchte.

Eva Nidecker, Moderatorin und Betreiberin Fitnessstudio «open ride»

Ich hätte es auch fast geschafft…

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Bin ich gehorsam? Ordne ich mich unter? Wie reagiere ich in Stresssituationen? Das wollten sie in meiner Ausbildung wissen. Meine grösste Challenge: Einmal musste ich quer über ein Feld mit vielen Spielsachen und Gudis laufen, ohne diese zu beachten. Ich hätte es auch fast geschafft – anders als diese verspielten Labradore! Nur ganz zuletzt ... ein kleines Gudi … Ich erhielt mein Zertifikat trotzdem, denn ich bin ein ruhiger und williger Hund, überhaupt nicht aufdringlich oder schreckhaft. In meiner zweiten Ausbildung zum Schulhund übten wir allerlei Sachen für die Schule. Da war meine Hundeführerin Sabine Hänni, eine Heilpädagogin, dann genauso gefordert.

Benji, Havaneser, Schulhund (SpA Wasgenring)

Schlafen Sie bitte vor der Türe

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Zur Schule bin ich immer gern gegangen. Ich hatte auch das grosse Glück, tolle Lehrpersonen zu haben und ebensolche Klassen mit starkem Zusammenhalt. Geografie mochte ich besonders, bis am Gymi das Thema «Wie entsteht unser Wetter?» unter die Lupe genommen wurde. Das langweilte mich derart, dass ich im Unterricht einmal den Kopf auf die Tischplatte legte. Mein Geolehrer meinte trocken: «Salomé, schlafen Sie bitte vor der Türe.» Das habe ich gemacht, bis die 10-Uhr-Pausenglocke mich aus den Träumen riss und der Geo-Lehrer mich fürsorglich zu einem Znüni ermunterte. Ohne Konsequenzen, zum Glück.

Salomé Jantz, Schauspielerin

Eine tolle Zeit in einer gemischten Klasse

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Ich wuchs in Schönenbuch auf, einem Dorf mit rund 1500 Einwohnern. In meinem Jahrgang gab es nicht so viele Kinder, sodass wir, als ich in die 3. Primar kam, mit der ebenfalls sehr kleinen 5. Klasse zusammengelegt wurden. Ich war in dieser Zeit also in einer gemischten Klasse. Ein Konstrukt, das man in der Stadt wohl kaum kennt. Im Nachhinein bewundere ich sehr, wie meine Lehrerin die beiden Klassen im selben Schulzimmer unter einen Hut bekam. Schliesslich hatten wir komplett anderen Unterrichtsstoff. Für mich als 3. Klässlerin war es mit den älteren 5. Klässlern natürlich eine tolle Zeit. Ob sie das auch so gesehen haben, weiss ich nicht.

Marina Suter (24), Pfeiferkönigin 2019

Das befreiende Gefühl, dass etwas endet

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Ich habe ehrlich gesagt sehr durchwachsene Erinnerungen an meine Schulzeit. Die an meine besten Fächer Chemie und Latein. Die an meinen Zwillingsbruder in der Parallelklasse. An endlose Schulwege, die Schülerzeitung, an Freunde und an Schultheater. Besonders eindrücklich aber die an meine Schulabschlussfeier 1996. Das befreiende Gefühl, dass nun etwas endet, was ich nicht immer als positiv empfunden hatte, sondern oft als wahnsinnig leistungsbezogen und hektisch. Und an das damalige unbestimmte Gefühl, dass das Leben danach vielleicht komplett anders sein könnte als das, was ich in der Schule mitbekommen hab.

Benedikt von Peter, Intendant Theater Basel

 

Viele tolle Exkursionen

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An die Schule denke ich als tolle und lehrreiche Zeit zurück. Besonders die vielen Exkursionen sind mir in guter Erinnerung geblieben. Spannend war zum Beispiel der Besuch der J18-Autobahn-Baustelle. Über die Herausforderungen und Probleme des Baus mitten durch das Naturschutzgebiet habe ich später sogar eine Arbeit geschrieben. Noch heute fahre ich da fast täglich durch und denke mir, dass man die J18 eigentlich auch unterirdisch hätte bauen können … Meine Stärken hatte ich in den Fächern Sport, Mathe und Geografie. Sehr wichtig sind aber auch die Sprachen, denn sie können einem immer wieder helfen.

Patrick Rahmen, aktueller Trainer FC Basel 1893

Schö nö barl ba frongse

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Auf Deutsch kann ich mich einigermassen gepflegt ausdrücken. Englisch verstehe ich, ausser in Schottland, auch halbwegs. Und sogar auf Italienisch, Schwedisch oder Rätoromanisch gelingt es mir ein Bier zu bestellen. Nur im Französischen bin ich eine absolute Niete. Nicht dass ich mich während meiner Schulzeit nicht bemüht hätte. Aber mein Französischlehrer stand diesem Vorhaben im Weg. Einmal veranstaltete er ein Spiel mit unserer Klasse. Wir mussten auf Französisch reihum von hundert rückwärts auf null zählen. Kein Problem, ich konnte mich ja geistig vorbereiten, wann ich an der Reihe sein würde ... Doch plötzlich hatte der Lehrer die Richtung gewechselt. Ich war unverhofft wieder dran und konnte nur etwas «staggele» von «suarongeuf». Der Lehrer darauf: «Französisch lernst du nie!» Er hatte recht. Wobei, ganz habe ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben: Ich besitze noch immer die alte Langenscheidt-Kassettensammlung «Le Français sans peine», die mir der Französischlehrer bei meinem Schulaustritt geschenkt hat.

Roland Suter, Autor, Kabarettist und Regisseur. Leitet zusammen mit Katharina Martens das «Theater im Teufelhof» in Basel

Je älter ich wurde, desto glücklicher war ich

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Meine Schulzeit begann mit Tränen: Am ersten Schultag mussten wir als Hausaufgabe auf der Schiefertafel drei grosse O (von Osterhase) nachzeichnen. Noch heute sehe ich mich schluchzend am Schreibtisch sitzen, weil ich arbeiten musste, während meine jüngeren Geschwister spielen durften. Je älter ich wurde, desto glücklicher war ich jedoch in der Schule. Insbesondere die letzten vier Jahre des Gymnasiums sind mir in positivster Erinnerung: Wir waren eine angenehme Klasse, die als leistungsstark und interessiert galt. Wir wollten etwas mitnehmen, wo es uns interessierte, und insgesamt ein anregendes, aber gemütliches Leben mit viel Raum für unsere Hobbies führen. Trotzdem zählten wir in den Monaten vor der Matur die Tage, die wir noch zur Schule gehen mussten…

Anna-Katharina Schmid, Rektorin Gymnasium Bäumlihof

Am nächsten Tag stand alles in der Zeitung

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Als 14-Jähriger habe ich mit meiner Musikklasse am Begleitprogramm der «Swiss Music Awards» mitgemacht. Wir mussten immer wieder zu stundenlangen Proben antraben. Einmal musste ich wegen einer solchen Probe mein Fussballtraining absagen. Als uns dann nach 15 Minuten eröffnet wurde, wir könnten gehen, fühlte ich mich verschaukelt und lief wutentbrannt raus – unglücklicherweise direkt in die Arme eines Journalisten, bei dem ich meinen Ärger frisch von der Leber weg deponierte. Am nächsten Tag stand alles mit meinem vollen Namen in der Zeitung. Das löste an der Schule einigen Wirbel aus und niemand verstand, weshalb ich mich so negativ zum Projekt geäussert hatte. Aus dieser Episode habe ich gelernt, dass man in solchen Situationen seinen Emotionen besser nicht einfach freien Lauf lässt, sondern sich (nicht nur gegenüber Journalisten) immer zuerst überlegen sollte, wie etwas beim Gegenüber ankommt.

Deep Dillier, Maturand Gymnasium am Münsterplatz

Linkshänderin anno dazumal

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Die Schulzeit hat mich sehr geprägt. Ich war eigentlich immer eine gute Schülerin, sodass mich die Lehrer und Lehrerinnen weitgehend von Sonderaufgaben verschonten. Nur der Einstieg in die 1. Klasse war sehr schwer: Ich bin Linkshänderin und damals durfte man in der Schule nur mit der rechten Hand schreiben. Ich konnte weder schöne Zahlen noch Buchstaben schreiben, und es kostete mich viele Tränen und Übungsstunden inklusive gutes Zureden meiner Mutter, bis es schliesslich klappte. Heute bin ich froh darüber, denn ich schreibe mit der linken oder der rechten Hand, je nachdem, wo der Bleistift gerade liegt! Aber ich bin auch froh darüber, dass den heutigen Schülerinnen und Schülern diese Lektion erspart bleibt!

Andrea Schenker-Wicki, Rektorin der Universität Basel

Mutmacher Klassenlehrer

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Der Wechsel nach vier Jahren Primeli im Schulhaus am Ende der Quartierstrasse in Riehen ins Gymi in der Kaserne war wie ein Quantensprung. Im vollen und lärmigen Extrabus zum ersten Mal alleine in die riesige Stadt. Ich fühlte mich sagenhaft gross und schrecklich klein. Vorne standen drei Lehrer, denen per Namen-Aufruf eine Klasse zugeteilt wurde. Einer lehnte an der Wandtafel, schien wie abwesend zu sein, lächelte aber zwischendurch. Ich wollte zu ihm. Er wurde mein Klassenlehrer. Was ich gelernt habe, weiss ich nicht mehr so genau. Aber Georg Müller hat mich auf meinem Weg vom Kind zum Erwachsenen begleitet, ausgehalten und mir Mut gemacht wie kaum jemand.

Martin Dürr, Industriepfarrer beider Basel und Autor

Die Bedeutung des Biers – na, ja…

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Das Realgymnasium war rückblickend gesehen genau die richtige Schule für mich, und mein Deutschlehrer Heinz Ryser hat mich mit seiner fördernden Art stark geprägt. Einmal hat er mir aber eine Lektion erteilt, die ich bis heute nicht vergessen habe. Nachdem ich mit meiner Unihockey-Mannschaft ausgiebig einen Sieg (oder war’s eine Niederlage?) zu begiessen hatte, mussten wir tags darauf einen Aufsatz zu Döblins «Berlin Alexanderplatz» schreiben. Schlecht vorbereitet und noch verkatert, beschloss ich spontan, über die grosse Bedeutung des Biers in dem Milieu zu philosophieren, in dem das Buch spielt. Statt der gewohnt guten Note trug mir das gerade noch einen Vierer ein. Mehr Eindruck als die Note machte mir aber, dass mir mein Lieblingslehrer mit dem simplen Kommentar «Na, ja» unmissverständlich signalisierte, dass man sich, auch wenn man meint, in etwas gut zu sein, nicht alles leisten kann.

Patrick Marcolli, Chefredaktor BZ Basel

Immer das Ganze im Auge behalten

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Ich hatte mehrere ausserordentlich gute Lehrpersonen in meiner Schulzeit, zuerst in der Primarschule und danach am Mathematisch Naturwissenschaftlichen Gymnasium. Neben der Vermittlung des Inhalts war dabei für mich am wichtigsten zu lernen, dass man immer das grosse Bild im Auge behalten sollte. Auch wenn man noch so kleine Details lernt, darf man nie vergessen, diese einzuordnen. Auch Spezialisten sollen Generalisten bleiben. Dieses Motto ist mir heute in meiner Forschungstätigkeit immer noch sehr wichtig, und ich versuche, es auch meinen Mitarbeitern weiterzugeben.

Silvia Arber, Neurobiologin und Professorin am Biozentrum der Uni Basel sowie am Friedrich Miescher Institut in Basel

Wir hatten viele Freiheiten und konnten Kind sein

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Die Sekundarschule werde ich vermissen, vor allem die Menschen und das Familiäre werden mir fehlen. An den Kindergarten erinnere ich mich kaum, dafür an die Primarschule. Diese Zeit fand ich schön, wir hatten viele Freiheiten und konnten Kind sein. Ich musste schon auch lernen, hatte aber nicht ständig meine Noten im Hinterkopf. Im Sommer beginne ich im Alters- und Pflegeheim Marienhaus mit einer Lehre zur Fachfrau Gesundheit. Ich mag alte Menschen und arbeite gern mit ihnen, das habe ich beim Schnuppern gemerkt. Wie der Alltag im Berufsleben wohl sein wird?

Annamaria Abasolo, Schülerin der 3f der Sekundarschule Leonhard

Rettungsanker Spanischer Bürgerkrieg

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In der Realschule in Muttenz hatten wir einen Lehrer, der schon einiges erlebt hatte, bevor er auf dem zweiten Bildungsweg den Weg zu uns nach Muttenz und in die Rudolf Steiner Schule fand. Schnell merkten wir, dass ihn die Zeit, da er aktiv im Spanischen Bürgerkrieg mitgemacht hatte, sehr geprägt hat. Oft erzählte er uns, was er dort alles erlebt hatte. Er war ein sehr sensibler Typ, der mir wegen der Menschlichkeit, die er ausstrahlte, bis heute sehr positiv in Erinnerung geblieben ist. Immer wenn er eine Prüfung ankündigte, auf die wir schlecht vorbereitet waren, musste einer von uns 12- oder 13-Jährigen nur eine Frage stellen, wie denn dies oder jenes im Spanischen Bürgerkrieg gewesen sei. Wie auf Knopfdruck legte er dann los mit Erzählen und vergass dabei ganz, dass er eigentlich eine Prüfung machen wollte …

Silvio Fumagalli, langjähriger Verkehrsinstruktor der Basler Polizei und Schauspieler im Theater Arlecchino

Nachhilfestunden untereinander organisiert

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Wir waren wie eine Familie! Wir, das sind meine acht Klassenkameradinnen und -kameraden der Grundschule in Ex-Jugoslawien. Ich bin in den achtziger Jahren in einem kleinen Dorf bei meinen Grosseltern aufgewachsen, und obwohl unsere Klasse aus zwei Jahrgängen bestand, war sie sehr klein. Das hatte viele Vorteile. Offenheit, Verständnis, Zusammenhalt und Hilfsbereitschaft habe ich aus dieser Zeit mitgenommen. Wir haben zum Beispiel Nachhilfestunden unter uns organisiert, um die schwächeren Kinder zu fördern. Das hat uns zusammengeschweisst und war eine gute Vorbereitung auf unsere weiteren Lebenswege. Obwohl wir heute in aller Welt verstreut zu Hause sind, bleiben wir noch immer in Kontakt.

Sandra Rodic, Mitarbeiterin Hausdienste des Erziehungsdepartements Basel-Stadt

Myni Lehrzyt: Paul Vogel, Schreinerlehrling im dritten Jahr

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Nach der Schule: kein Plan. Inzwischen ist Paul Vogel von seiner Lehre begeistert.

Die folgende Reportage zeigt zwei Dinge: 1. Wie verschlungen der Weg bei der Berufsfindung sein kann. Und 2. Wie viel Spass es macht, wenn man schliesslich den perfekten Beruf gefunden hat.

Die Schreinerei weist alle Merkmale auf, die man sich von einem solchen Betrieb vorstellt. Viel Sägemehl, grosse Maschinen, eine ganze Armee von Schraubenziehern, Zwingen, Aalen und Bohrern sowie Holz, so weit das Auge reicht. Von den sechs Personen, die im Betrieb arbeiten, stehen an diesem frühen Montagmorgen zwei Mitarbeiter in der Werkstatt. Einer davon ist der 26-jährige Paul Vogel, Lehrling im dritten Jahr. Einzig das Kreischen einer schweren Sägemaschine fehlt hier, denkt man sich, doch dazu später mehr.

«Die erste Maschine, die bei uns jeweils den Betrieb aufnimmt, ist die Kaffeemaschine», grinst Vogel und serviert einen Becher. Dann zieht er sich einen Hocker heran und beginnt, von seinem Weg zu erzählen, der etwas verschlungen hierher ins Kleinbasel führte.

Zunächst kein Plan
Da war zuerst eine grosse Orientierungslosigkeit nach der Sekundarschule. «Ich hatte wirklich keinen Plan, was ich machen wollte.» Der erste Erfolg kam im 10. Schuljahr, das Paul Vogel an die Sekundarschule anhängte. Hier wurde er von seiner Lehrperson gepusht, machte erste Schnupperlehren und ergatterte sich anschliessend einen Platz an der FMS. Das Berufsziel war gefunden: Ein Job im sozialen Bereich sollte es sein, allenfalls vielleicht sogar Primarlehrer. Es folgten nach dem FMA-Praktikum diverse Schnupperlehren und die Vogel’sche Erkenntnis: Noch weiter die Schulbank drücken und dann die Fachhochschule mit all ihren schriftlichen Arbeiten, das ist nichts für mich. Er wollte in einen Beruf, bei dem man das Resultat seiner Arbeit vor sich hat. Und zwar nicht in Form einer vierstelligen Zahl im Word, die anzeigt, wie viele Wörter man ins Dokument geschrieben hat. Vogel musste sich also umorientieren. Er tat dies auf einem Weg, den er allen empfiehlt, die in einer ähnlichen Situation sind wie er damals:  nämlich mit Schnuppern, Schnuppern und noch einmal Schnuppern. Nur so finde man den Job, der zu einem passt.

Anhaltend begeistert
Bereits bei seiner zweiten Schnupperlehre fand er seine Lehrstelle, hier in der Schreinerei Zumbrunn GmbH. Der Betrieb wird in familiär-professioneller Manier geführt. Anders als bei einer grossen Schreinerei erhielt Paul Vogel früh Aufträge, die er von A bis Z selbst erledigen konnte. «Ich erinnere mich noch gut an mein erstes Projekt. Das war ein uralter Pizza-Tisch, den wir schleifen, ölen und restaurieren mussten.» Die Begeisterung ist auch drei Jahre danach noch spürbar, wenn er davon erzählt. Und man glaubt sofort, dass hier für ihn der Spassfaktor höher war als beim Schreiben einer zwanzigseitigen Seminararbeit.

 

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Paul Vogel mit Berufsbildner Rony Margadant.

Unterdessen taucht aus einem Hinterzimmer Geschäftsinhaber Rolf Zumbrunn auf. Und auch Vogels Berufsbildner Rony Margadant schaut kurz auf einen Schwatz vorbei. Die familiäre Atmosphäre ist sofort zu spüren und man merkt: Wer lieber in der Anonymität eines Grossbetriebs verschwinden will, ist hier am falschen Platz. Friede, Freude, Eierkuchen im Kleinbasel also? Nicht ganz.
«Klar, auch in einer Schreinerei gibt es langweilige Arbeiten, die zu erl…», beginnt Vogel. Doch bis zum Ende des Satzes kommt er nicht, denn der ebenfalls anwesende zweite Lehrling ruft wie aus der Pistole geschossen «Kanten brechen!», was zu grossem Gelächter führt. Dies ist übrigens auch der Grund, weshalb an diesem Morgen die Maschinen schweigen. Zuerst müssen nämlich sehr, sehr viele Hölzer vorbereitet werden, erst dann geht es ans Endfertigen.

Und wie weiter?
Ebenfalls ein etwas anstrengender Nebeneffekt des Jobs sei, dass man bei jedem Zügeltermin im Freundeskreis ein Telefon erhält. «Ja, und die eine oder andere Hilfestellung beim Zusammenbau von IKEA-Möbeln gehört natürlich auch dazu», so Vogel weiter. Auf der anderen Seite nennt er den Kontakt zu Kunden, denen man helfen kann, als Highlight. «Da lerne ich viel über Menschenkenntnis, das gefällt mir.» Soziale Arbeit ohne Studium quasi.
Wie geht es denn weiter, wenn in einem Jahr die Lehre fertig ist? Überraschenderweise schweigt der ansonsten gesprächige Lehrling hier zuerst einmal. Er weiss es schlichtweg noch nicht. Grund dafür ist aber nicht eine Orientierungslosigkeit, wie er sie nach der Sekundarschule hatte. Vielmehr bietet der Markt sehr viele Möglichkeiten. «Ich möchte sehr gerne ein paar Jahre im Beruf verbringen. Aber wer weiss, vielleicht absolviere ich eine Weiterbildung und lande später ja in einer geschützten Werkstätte. Das wäre dann die perfekte Kombination von meinem jetzigen Beruf und sozialer Arbeit.»

Simon Thiriet (Text und Fotos)

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