«Jetzt braucht es eine zweite Welle»
Der Kanton Basel-Stadt hat in den 2010er-Jahren im Rahmen der Schulraumoffensive 790 Millionen Franken in den Um- und Neubau der Basler Schulen investiert. Praktisch an allen Standorten wurde die Infrastruktur verbessert, und einige neue Vorzeigebauten wie die Primarschulen Erlenmatt und Schoren und die Sekundarschule Sandgruben sind entstanden. Ist die schulische Infrastruktur nun auf dem neusten Stand?
Stephan Hug: Diese Frage kann ich Ihnen nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten. Wir müssen bei diesem Thema zudem zwei Ebenen unterscheiden: Einerseits haben wir einen Instandhaltungsauftrag. Und hier kann ich mit gutem Gewissen sagen, dass sich die bestehenden Schulhäuser im Kanton Basel-Stadt heute in einem guten Zustand befinden. Andererseits müssen wir uns immer auch fragen, ob wir über genügend Schulraum verfügen. Und hier sind wir angesichts der wachsenden Bevölkerung in unserem Kanton und den damit verbundenen steigenden Schülerzahlen heute sicher an einem Punkt angelangt, wo wir sehr genau hinschauen und uns überlegen müssen, wo und wann es zusätzlichen Schulraum braucht. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Stadtentwicklungsgebiete, aber auch für alle anderen Quartiere.
Die Bevölkerungsprognosen von Bund und Kanton gehen davon aus, dass wie in der ganzen Schweiz auch in Basel-Stadt die Schülerzahlen weiter wachsen werden. Ist man in Basel-Stadt darauf vorbereitet?
Ja, wir sind auf die steigenden Schülerzahlen vorbereitet. Wir agieren nicht im luftleeren Raum: Die Schulraumplanung basiert auf den Daten der Einwohnerkontrolle sowie Prognosen des Statistischen Amtes, welche die Entwicklungen der zukünftigen Schülerzahlen im Kanton Basel-Stadt detailliert aufzeigen. Die Schülerzahlprognosen werden einmal jährlich aktualisiert und bilden die Grundlage für den künftigen Schulraumbedarf. Die vorliegenden Daten werden dann gemäss den Einzugsgebieten der Volksschulen für die Primarschulen auf die einzelnen Schulstandorte aufgeteilt. Ist der Bedarf nach zusätzlichem Schulraum vorhanden, tritt das Erziehungsdepartement gegenüber dem Finanzdepartement als Besteller auf, welches unsere Bedürfnisse sehr genau prüft. Wir dürfen dabei aber nicht vergessen: Der Kanton Basel-Stadt mit seinen nur 37 Quadratkilometern hat eine sehr begrenzte Fläche zur Verfügung, was bei der Schulraumplanung für alle Beteiligten eine zusätzliche Herausforderung darstellt. Wichtig zu erwähnen in diesem Zusammenhang ist auch, dass sich der Regierungsrat bisher immer auf den Standpunkt gestellt hat, keinen Schulraum auf Vorrat bauen zu wollen.
Können die Bedürfnisse der integrativen Schule also weiterhin erfüllt werden?
Auch diese Frage lässt sich nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten, weil die räumlichen Bedürfnisse für einen integrativen Unterricht nicht auf jeder Stufe und an jedem Standort gleich sind. In den letzten Jahren wurde sehr viel getan, damit möglichst überall nicht nur gut eingerichtete Klassenzimmer, sondern auch Gruppenräume oder Schülerarbeitsplätze auf dem Gang zur Verfügung stehen. Wir bemühen uns sehr, die Wünsche derer zu erfüllen, die in den Räumen später unterrichten müssen. Das stösst nun aber, da praktisch alle Reserven beispielsweise durch Dachstockausbauten ausgeschöpft sind, an Grenzen – und die Schülerzahlen wachsen stetig weiter.
Auf welcher Stufe sehen Sie aktuell den grössten Handlungsbedarf?
Am prekärsten ist die Raumsituation momentan sicher bei den Sekundarschulen. Hier ist mittlerweile klar, dass es neben einem elften Standort, der bis 2029 auf dem Dreispitz zur Verfügung stehen soll, noch mindestens ein bis maximal zwei weitere Sekundarschulhäuser braucht. In den nächsten Jahren werden wir deshalb schauen müssen, wie wir mit Provisorien zunächst im Syngenta-Bau im Rosental und dann eventuell auf der Luftmatt über die Runden kommen. Angespannt ist die Lage auch bei den Primarschulen, wo es vor allem in den Stadtentwicklungsgebieten nicht ohne neue Schulhäuser oder Erweiterungen bestehender Standorte geht. Keinen grossen Handlungsbedarf sehe ich nach den Umstrukturierungen durch Harmos dagegen mittelfristig auf der Sekundarstufe II.
In welchen Stadtteilen ist die Nachfrage nach neuen Schulhäusern am grössten? Im neuen Klybeck-Areal? Und was sind die nächsten Pläne für Neubauten?
Ja, am grössten ist der Bedarf aktuell sicher in den Stadtentwicklungsgebieten. Im Klybeck sind zum Beispiel zwei Neubauten für die Primarstufe mit 30 Klassen geplant und am Klybeck-Quai ein Neubau mit zwölf Klassen. Auf der Sekundarstufe I hat sich der Bedarf nach einem elften Standort wie erwähnt bestätigt, der nun im Dreispitz für 27 Klassen gebaut werden soll. Je nachdem, wie schnell die zusätzlichen Wohnüberbauungen in den Stadtentwicklungsgebieten realisiert werden, steigt auch der Bedarf nach einem zwölften Standort für die Sekundarstufe I. Eine Testplanung, wo dieser zwölfte Standort sein könnte, startet voraussichtlich Ende Jahr. Sie haben eingangs die Schulraumoffensive in den 2010er-Jahren angesprochen, und man kann es heute schon so formulieren: Jetzt braucht es eine zweite Welle, eine Art zweite Schulraumoffensive, bei welcher der Kanton wiederum Gelder im dreistelligen Millionenbereich investieren muss.
Wo gibt es die Möglichkeit, bestehende Standorte auszubauen? Und was ist diesbezüglich in der Pipeline?
Von einer eigentlichen Offensive würde ich bei den bestehenden Standorten nicht sprechen. An den bestehenden Schulstandorten sind die räumlichen Ressourcen bereits weitgehend ausgeschöpft. Man muss aber auch hier genau hinschauen und prüfen, was machbar ist, vor allem auch in Bezug auf den weiteren Ausbau der Tagesstrukturen. In Neubauten an den bestehenden Primarschul-Standorten Wasgenring und Gellert ist zum Beispiel vorgesehen, je sechs Klassen unterzubringen. Und am Standort Isaak Iselin ist die Planung zur Sanierung und Erweiterung wieder aufgenommen worden. Es geht also auch hier etwas.
Wann rechnen Sie damit, das nächste neue Schulhaus in Basel eröffnen zu können?
Obwohl der Handlungsbedarf gross ist, werde ich bis zu meiner Pensionierung wohl nicht mehr bei vielen neuen Schulhauseröffnungen dabei sein. Absehbar ist im nächsten Jahr die Eröffnung von Erweiterungsbauten auf dem Areal der Primarschule Wasgenring. Die Schule bekommt eine neue Aula sowie Räume für die Tagesstruktur, den Unterricht im Fach Gestalten und für sechs zusätzliche Klassen. Die laufende Erweiterung der Primarschule Gellert und das neue Schulhaus am Walkeweg werden dann als Nächstes in Betrieb genommen werden. Das wird aber wohl nicht vor 2026 der Fall sein. Auf der Sekundarstufe I wird es dann wie erwähnt bis zur Eröffnung des elften Schulhauses realistischerweise noch ein paar Jahre länger dauern. Kontinuierlich ausbauen und in Betrieb nehmen werden wir in den nächsten Jahren aber an vielen Standorten bessere Räumlichkeiten für die Tagesstrukturen.
Müssen in den nächsten Jahren mehr Lehrpersonen als bisher damit rechnen, in provisorischen Pavillons zu unterrichten?
Hier möchte ich vorausschicken, dass es sich bei den temporären Schulbauten, die wir gekauft und angemietet haben, um Schulräume handelt, die alle Erfordernisse erfüllen, die in Basel-Stadt Unterrichtsräume erfüllen müssen. Wenn sich der prognostizierte Anstieg der Schülerzahlen auch nur halbwegs bewahrheitet, werden wir auf die heutigen Provisorien sicher nicht verzichten können. Ob es noch mehr braucht, ist momentan schwer abschätzbar, doch sollten Provisorien in der Regel immer nur als Übergangslösungen für eine befristete Zeit genutzt werden. Wenn dies dauerhaft der Fall ist, drängt es sich auf, die Planung definitiver Erweiterungen voranzutreiben.
Wo sind Provisorien zur Überbrückung geplant neben dem bereits erwähnten Syngenta-Bau im Rosental und der Luftmatt für die Sek I?
Da ist einiges im Fluss: Absehbar ist, dass die Gesamtsanierung der Primarschule Kleinhüningen 2024 den Umzug in ein zweijähriges Provisorium an der Uferstrasse bedingt. Und bei der Sanierung und Erweiterung am Standort Isaak Iselin muss die Hälfte der Schule voraussichtlich ab 2027 in ein Provisorium auf dem Areal der Primarschule Wasgenring zügeln.
Wie sieht es bei der Schulraumplanung eigentlich mit der Mitsprache der Betroffenen aus? Wie können diese mitreden oder zumindest Wünsche anmelden, wie die Mittel an ihrem Standort für bauliche Verbesserungen eingesetzt werden?
Wenn sich Lehr- und Fachpersonen in die Schulraumplanung einbringen möchten, so können sie dies an ihrem Standort über die Schulleitungen oder Konferenzvorstände tun. In die Projektleitung sowie in der Baukommission kann jeweils je ein Schulhausvertreter Einsitz nehmen, der vom betreffenden Schulhaus delegiert wird. Darüber hinaus kann die KSBS eine Person in den Nutzerausschuss des Erziehungsdepartementes entsenden, um deren Vorstellungen aus pädagogischer Sicht ins Projekt einzubringen. Für die Betroffenen bestehen also Mitsprachemöglichkeiten auf verschiedenen Ebenen.
Die Lehr- und Fachpersonen scheinen hier anderer Ansicht zu sein: An der Gesamtkonferenz 2022 der KSBS wurde ein Antrag «Schulraum» verabschiedet, der unter anderem einen verstärkten Einbezug der Lehr-, Fach- und Leitungspersonen verlangt.
Nach der Verabschiedung der Resolution an der GeKo 2022 haben Gespräche zwischen dem Ausschuss der KSBS, der Volksschulleitung und uns stattgefunden. Meiner Meinung nach handelt es sich hier vor allem um ein Kommunikationsproblem. Möglichkeiten, sich mit seinen Wünschen in die Schulraumplanung einzubringen, gibt es bei uns ja wie kaum in einem anderen Kanton schon heute. Das gilt nicht nur für die Kollegien, die via Schulleitungen ihre Bedürfnisse in die Planung einfliessen lassen. Wenn es beispielsweise um die Gestaltung der Gänge oder der Pausenhöfe geht, ist es Standard, dass wir immer wieder auch die Schülerinnen und Schüler nach ihren Wünschen befragen. Kanäle, um sich einzubringen, wären also vorhanden, doch sie werden nicht an allen Standorten genügend benutzt. Ich staune, wie wenig ich im Vergleich zu früher in letzter Zeit angefragt werde, vor einem Kollegium Auskunft zu geben, was am betreffenden Standort möglich und geplant ist.
Welchen Einfluss auf die Schulraumplanung hat der nicht vorhersehbare Zustrom von Flüchtlingskindern aus der Ukraine?
Das erschwert die Planung natürlich. Weil niemand absehen kann, was da in den nächsten Monaten noch auf uns zukommt, ist hier eine Planung fast unmöglich. Im Moment hat sich die Lage etwas beruhigt – circa 400 Kinder konnten an bestehenden Standorten untergebracht werden. Auf nächstes Frühjahr sind an drei Standorten im Kanton – Erlenmatt, Bäumlihof und Stettenfeld – Wohnmodule zur Unterbringung von ukrainischen Kriegsflüchtlingen geplant. In diese Planung einbezogen sind auch Schulräume, in denen die Kinder unmittelbar neben ihrem Unterbringungsort unterrichtet werden können.
Und wie sieht es eigentlich bei den Kindergärten aus? Müssen Sie immer noch jedes Jahr neue Standorte suchen, weil der ursprüngliche Plan, Kindergärten in Primarschulhäusern unterzubringen, nur beschränkt umsetzbar war?
Bei den Kindergärten hat sich die Situation zum Glück etwas entspannt, nachdem wir seit 2013 über 70 neue Kindergärten eröffnet haben. Was bleibt, ist hier allerdings der Termindruck. Es gilt ja nach wie vor das Quartier-Prinzip. Die Schülerzahlen können rasch ansteigen, zum Bespiel durch die Sanierung einer grossen Wohnüberbauung mit anschliessend neuer Mieterschaft, und damit kann jederzeit ein neuer Kindergarten notwendig werden. Hier steht momentan vor allem eine qualitative Verbesserung der oft nur angemieteten Kindergartenlokale im Vordergrund.
Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Bei welchem Schulhaus finden Sie, dass der Um- oder Neubau besonders gelungen ist? Und weshalb?
Ich bin ein grosser Fan der alten «Schulpaläste», die sich Basel-Stadt einmal in weiser Voraussicht einiges hat kosten lassen. Nach der Schulraumoffensive in den 2010er-Jahren erstrahlen diese nun wieder in neuem Glanz. Die zuletzt neu eröffneten Schulhäuser reihen sich für mich als Architekt gut in diese Tradition ein: Die spezielle Anordnung der Räume im Schoren-Schulhaus, die tolle Ambiance im Erlenmatt-Schulhaus oder auch der partizipative Ansatz, mit dem die Sekundarschule Sandgruben gebaut worden ist, halte ich für sehr gelungen. Eine ganz besondere Freude habe ich aber, dass es uns in den vergangenen Jahren trotz zeitweise grossem Druck immer gelungen ist, zu Beginn eines neuen Schuljahres für jede Schülerin und jeden Schüler den Platz zu finden und zur Verfügung zu stellen, den es zum erfolgreichen Lernen braucht. Das ist eine Herkulesaufgabe, und darauf können alle Beteiligten stolz sein!
Interview: Peter Wittwer und Valentin Kressler
Stephan Hug
Stephan Hug (62) ist seit 2004 Leiter der Abteilung Raum und Anlagen im Erziehungsdepartement (ED) des Kantons Basel-Stadt und damit unter anderem auch verantwortlich für die Schulraumplanung im ED. Vorher war er als Projektleiter im Hochbauamt des Bau- und Verkehrsdepartementes Basel-Stadt tätig. Hug, der an der ETH in Zürich Architektur studiert hat, führt heute eine Abteilung mit rund 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, zu der neben Mitarbeitenden im Büro auch Hauswarte und das Reinigungspersonal gehören.
Schulraumoffensive mit 65 Projekten
wit. Die Zahlen sind eindrücklich: In den 2010er-Jahren wurde mit 65 grösseren und kleinen Projekten die ganze bauliche Infrastruktur der Basler Schulen auf Vordermann gebracht. In diesem schweizweit einmaligen Grossprojekt wurden an 49 Standorten insgesamt 790 Millionen Franken verbaut. Mit dieser sogenannten Schulraumoffensive wurden auch räumlich die Voraussetzungen für die Einführung einer achtjährigen Primarstufe und einer daran anschliessenden dreijährigen Sekundarschule geschaffen. Im Zuge der baulichen Grossoffensive wurden nicht nur einige neue Schulhäuser gebaut. An fast allen bestehenden Standorten wurden gleichzeitig oft zweistellige Millionenbeträge investiert, um die bestehenden Räumlichkeiten zu sanieren, zu erweitern und für die neuen Ansprüche fit zu machen, die beispielsweise mit der Digitalisierung an den Unterricht gestellt werden.
Bereits 2019, als der Regierungsrat seinen dritten und letzten Bericht zur Mittelverwendung der Schulraumoffensive vorlegte, war klar, dass nun nach dem grossen Effort kaum Zeit zum Durchatmen bleibt. Neben der Fertigstellung der letzten noch nicht ausgebauten Standorte braucht es weitere neue Schulhäuser und Ausbauten bestehender Standorte. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei einem flächendeckenden Ausbau der Tagesstrukturen und der Verbesserung der Infrastruktur der Kindergärten. Der aufgestaute Unterhalt bei den Kindergärten, die nicht innerhalb der Schulareale liegen und nicht von der Schulraumoffensive profitiert haben, soll in den kommenden Jahren behoben werden, verspricht der Regierungsrat in seinem Schlussbericht zur Schulraumoffensive.
Mehr Mitsprache und mehr Tempo
vks. Seit diesem Jahr ist die Schulraumplanung im Kanton Basel-Stadt wieder verstärkt ein Thema an den Schulen, aber auch in der Politik und in der Öffentlichkeit: An der GeKo im März 2022 hiessen die KSBS-Mitglieder einen Antrag «Schulraum» gut. Darin wird nicht zuletzt ein verstärkter Einbezug der Lehr-, Fach- und Leitungspersonen verlangt. Gefordert wird zudem unter anderem eine Zusammenstellung zur Schulraumsituation an allen Standorten, um dann «Hotspots eruieren und sofortige Entlastungsmassnahmen für Standorte mit akuten und problematischen Schulraumsituationen ableiten zu können». Guter Schulraum ist gemäss der KSBS eine der Grundbedingungen für eine gelingende und sich entwickelnde Schule, die hohen Qualitätsansprüchen genügen wolle.
Forderungen kommen auch aus dem Basler Grossen Rat: Im September 2022 reichten die von Jeremy Stephenson (LDP) präsidierte Bau- und Planungskommission sowie die von Franziska Roth (SP) geleitete Bildungs- und Kulturkommission des Kantonsparlaments einen gemeinsamen Vorstoss für eine «langfristige und vorausschauende Schulraumplanung» ein. Darin verlangen die beiden Kommissionen mehr Tempo beim Planen und Bauen. Der Regierungsrat wird aufgefordert, innert zwei Jahren eine Investitionsplanung für Schulräume vorzulegen, die garantiere, dass mittel- und langfristig genügend Unterrichts-, Gruppen-, Spezial- und Pausenräume für alle Schülerinnen und Schüler während ihrer obligatorischen Schulzeit zur Verfügung stünden. Die beiden Kommissionen wollen, dass die Regierung von ihrer bisherigen Linie abrückt, dass nicht auf Vorrat gebaut und geplant wird. Neue Schulbauten sollen gemäss den Kommissionen zudem so geplant werden, dass sie in ihrer Nutzung und in der weiteren Entwicklung flexibel seien. «Wir wollen, dass mehr in die Zukunft geschaut und mehr Schulraum gebaut wird als vielleicht im Moment nötig», fasste Stephenson die Anliegen der Motion am 20. September 2022 in der «bz» zusammen.
Herausforderung Schulraumplanung – das grosse Bauen an den Basler Schulen
Es war eine Mammutaufgabe: 65 Bauprojekte mit einer Investitionssumme von insgesamt 790 Millionen Franken hat der Kanton Basel-Stadt im Rahmen der Schulraumoffensive in den 2010er-Jahren in den Um- und Neubau der Basler Schulen investiert. Nötig machten dies einerseits der Beitritt des Kantons zum Harmos-Konkordat und andererseits die stetig steigenden Schülerzahlen. Von einem «Kraftakt» schrieb das Basler Stadtbuch 2018. Einem Kraftakt, bei dem kaum ein Stein auf dem anderen geblieben sei. Es bleibt eine Mammutaufgabe: Denn trotz zahlreichen Neubauten und Sanierungen sind im Schulbereich aufgrund der Entwicklung der Schülerzahlen heute weitere Bauprojekte notwendig. Dies gilt insbesondere für die Sekundarschulen, aber auch für die Primarschulen. Nicht nur in der Serie «Wir vom…» im Basler Schulblatt, in der Schulleitungen sowie Lehr- und Fachpersonen ihre Wünsche und Sorgen äussern können, wird der zusätzliche Raumbedarf immer wieder als ein wichtiges Thema genannt. Aus der Lehrerschaft, aber auch aus dem Grossen Rat ertönten in diesem Jahr Forderungen nach mehr Mitsprache und mehr Tempo beim Planen und Bauen.
Vor diesem Hintergrund haben wir das Thema Schulraumplanung als Schwerpunkt für die aktuelle Ausgabe des Basler Schulblattes gewählt: Stephan Hug, als langjähriger Leiter der Abteilung Raum und Anlagen zuständig für die Schulraumplanung im Erziehungsdepartement, skizziert in einem Interview die nächsten Entwicklungsschritte. So sollen im nächsten Jahr die Erweiterungsbauten der Primarschule Wasgenring in Betrieb genommen werden. Und auf dem Dreispitz soll dereinst das elfte Sekundarschulhaus zu stehen kommen. Dies, um nur zwei der vielen anstehenden Projekte zu nennen. In einem weiteren Beitrag werden diese beiden und zwei weitere Vorzeigeprojekte der Basler Schulraumplanung näher vorgestellt. Die Schulleiter Götz Arlt (Sekundarschule Sandgruben) und Pascal Steiger (Primarstufe Isaak Iselin) berichten zudem über ihre Erfahrungen und Erwartungen im Zusammenhang mit der aktuellen Schulraumplanung. Wir wünschen Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, viel Vergnügen bei der Lektüre dieses Schwerpunktes!
Valentin Kressler und Peter Wittwer
Vier Leuchttürme der Basler Schulraumplanung
Dreispitz, Wasgenring, Sandgruben und Erlenmatt – an diesen Standorten entstanden oder entstehen Vorzeigeprojekte
«Fliegende Klassenzimmer» – geplant von Stararchitekten
Neubau Sekundarschule Dreispitz
wit. Das geplante Schulhaus für die dringend benötigte elfte Basler Sekundarschule soll an einem Ort zu stehen kommen, wo bisher noch nie ein Schulhaus stand: auf dem Dach eines neuen Einkaufszentrums der Migros im Dreispitz. Dieser kühne Plan aus der Küche der Stararchitekten Herzog & de Meuron sorgte bei der Präsentation vor knapp zwei Jahren weit über Basel für Aufsehen. Wenn der Wurf gelingt und das neue Schulhaus im Rahmen einer Gesamtüberbauung des Gebiets Dreispitz Nord realisiert wird, werden oberhalb des neuen Shoppingcenters rund 600 Jugendliche ihre Nasen in Schulbücher stecken. Besonders ist nicht nur der Standort, sondern auch die vorgesehene Bauweise des neuen Schulhauses: Der Neubau mit einer Dreifachturnhalle soll in Holz und mit Satteldächern gebaut werden. Auf einer Art grünem Hügel wird das «Fliegende Klassenzimmer» den Eingang zum geplanten neuen Quartier mit 1'400 neuen Einwohnern in 800 Wohnungen markieren. Obwohl der Bedarf für ein neues Sekundarschulhaus unbestritten ist, wird das Schulhaus allerdings nicht so schnell kommen. Zuerst muss der Grosse Rat den Bebauungsplan für das Areal mit drei neuen Hochhäusern genehmigen. Mit der Realisierung der Neuüberbauung, die mehrere hundert Millionen Franken kosten wird, kann frühestens 2025 begonnen werden. Das Schulhaus dürfte so kaum vor 2029 bezogen werden können.
Neue Trakte auf einem denkmalgeschützten Schulareal
Erweiterung Primarschule Wasgenring
wit. Eigentlich hätte die Primarschule Wasgenring schon im Rahmen der Schulraumoffensive saniert und ausgebaut werden sollen. Bereits 2014 ging ein Projekt des Basler Architekten Sven Richter als Sieger aus einem Wettbewerb für zwei weitere Bauten innerhalb des denkmalgeschützten Schulhausareals aus der Nachkriegsmoderne hervor. Angesichts der sich abzeichnenden höheren Schülerzahlen wurde das 20-Millionen-Projekt 2016 aber gestoppt. Nach einer Redimensionierung der Pläne konnte die feierliche Grundsteinlegung so erst im Oktober vergangenen Jahres erfolgen. Im Laufe dieses Schuljahres können die beiden neuen Trakte nun aber in Betrieb genommen werden. Der neue Trakt A hat vier Obergeschosse und ein Untergeschoss und beherbergt die Aula, die Tagesstruktur, Klassenzimmer und Spezialräume. Und der neue Trakt B umfasst ein Obergeschoss und ein Untergeschoss und bietet Platz für die weiteren Spezialräume.
Ein Traum geht in Erfüllung
Neubau Sekundarschule Sandgruben
vks. Die feierliche Eröffnung des neuen Schulhauses Sandgruben beim Badischen Bahnhof im August 2016 stiess bei den Medien auf viel Interesse. Kein Wunder, handelte es sich dabei doch um den grössten Schulhausneubau im Kanton Basel-Stadt seit dem Bau der Schulananlage Bäumlihof 1972. Ein zehnter Sekundarschul-Standort wurde nötig im Zuge von Harmos und der Auflösung von Orientierungs- und Weiterbildungsschule. Er habe lange den Traum gehabt, einmal so eine Schule zu eröffnen, zitierte die «bz» den damaligen und heutigen Schulleiter Götz Arlt anlässlich der Eröffnung. Heute besuchen rund 600 Jugendliche das Sandgruben. Neben Lernateliers für die Regelklassen werden hier auch Schwerpunkte der Spezialangebote (SpA) angeboten (siehe dazu Basler Schulblatt Nr. 4, September 2022). Speziell an diesem, von Stücheli Architekten realisierten Neubau-Projekt waren die Gliederung in drei T-förmig angeordnete Trakte sowie der intensive Dialog zwischen den Projektbeteiligten – namentlich Architekten und Pädagogen.
Ein neues Schulhaus in einem neuen Quartier
Neubau Primarschule Erlenmatt
vks. Zu den drei neuen Schulhäusern, die der Kanton Basel-Stadt im Zuge der Schulraumoffensive in den 2010er-Jahren gebaut hat, gehört auch die Primarschule Erlenmatt. Ein solcher Neubau lag auf der Hand, da auf dem Erlenmatt-Areal im Kleinbasel, auf dem Gebiet des ehemaligen Güterbahnhofs der Deutschen Bahn, ein neues Quartier mit mehreren hundert Wohnungen entstand. Mit Harmos wurde die Primarschule zudem auf sechs Jahre verlängert, womit sich der Raumbedarf für die Primarschule zusätzlich erheblich erhöhte. «Ein Schulhaus eröffnen ist immer etwas Besonderes», sagte Regierungsrat Conradin Cramer gemäss dem «Regionaljournal Basel» bei der offiziellen Übergabe an die Nutzer. «Ein neues Schulhaus in einem neuen Quartier ist aber sehr speziell und zeugt von der Dynamik von Basel-Stadt.» Auffallend am von Luca Selva Architekten in beengter Lage realisierten Neubau, der im Sommer 2017 seinen Betrieb aufgenommen hat, ist insbesondere das gestaffelte Bauvolumen mit seinen unterschiedlichen Aussenräumen.
«Wir hatten von Anfang an eine gemeinsame Vision der neuen Schule»
Das Schulhaus Sandgruben ist ein Vorzeigeprojekt der Schulraumoffensive in den 2010er-Jahren. Schulleiter Götz Arlt berichtet über seine Erfahrungen.
Wie waren Sie in die Planungen eingebunden?
Götz Arlt: Wir wurden in die Projekte Neubau Sek Sandgruben und Sanierung OS Sandgruben als neuer Standort der Spezialangebote Sek I vorbildlich eingebunden. Bevor es überhaupt den Standort gab, durften wir als zukünftige Schulleitung ein pädagogisches Raumkonzept verfassen, das dann einen wichtigen Teil der Ausschreibung für den Architekturwettbewerb bildete. Anschliessend waren wir Teil der Jury des Architekturwettbewerbs, und in den folgenden Jahren durfte ich fix die Schule in der Projektleitung vertreten und mich bei jeder Sitzung einbringen. In einem Bauprojekt müssen viele Entscheide sehr rasch gefällt werden und können oft nicht warten, bis die nächste Konferenz stattfindet. Trotzdem wurde das Kollegium wann immer möglich und vor allem bei zentralen Punkten eingebunden. Ich denke dabei an Fragen der Materialisierung und das Farbkonzept sowie an die Möblierung der Ateliers oder die Bedürfnisse der SpA bezüglich Spezialräumen. Zudem wurden die Fachgruppen bei der Ausstattung ihrer Räume einbezogen.
Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit den Stellen des Kantons erlebt?
Ich habe die Zusammenarbeit als sehr positiv und konstruktiv erlebt. Ich hatte den Eindruck, dass wir von Anfang an eine gemeinsame Vision der neuen Schule hatten und uns alle für ihre Realisierung einsetzten. Selbst als es darum ging, die drohende Kostenüberschreitung von zehn Millionen Franken durch eine Projektüberarbeitung zu verhindern, stand in der Projektleitung weiterhin die Pädagogik im Zentrum. So wurde am Schluss das Kostendach eingehalten, ohne dass bei der Überarbeitung Einsparungen bei der Pädagogik gemacht werden mussten. Stattdessen wurden zum Beispiel für die Bibliothek bestehendes Volumen in der Eingangshalle genutzt und bei der Materialisierung oder der Haustechnik grosse Einsparungen ermöglicht.
Welche Ihrer Inputs wurden konkret realisiert?
Oh, das sind viele. Erstens, dass wir Lernateliers statt klassischen Schulzimmern gebaut haben. Dann, dass unsere Aula, Mensa und Tagesstrukturen nur durch eine mobile Wand getrennt sind und wir dadurch in der Aula Feiern mit allen Jugendlichen eines Jahrgangs und ihren Eltern durchführen können. Damit verbunden ist das Konzept unserer Schule, dass unsere pädagogischen Teams starke Einheiten bilden und den Jugendlichen ein Zuhause geben. Als Gegengewicht wurden daher Bibliothek und Tagesstrukturen im Zentrum platziert, wo sie zentral einen Platz des Verweilens und der gemeinsamen Identität der Schule anbieten. Weiter wurde uns ermöglicht, dass die Vereinsnutzung der Turnhallen durch einen separaten Eingang erfolgt, so dass die Schule abends geschlossen werden kann. Durch ein geschicktes Fluchtwegkonzept ist es uns heute möglich, viele Gangflächen im Erdgeschoss aktiv nutzen zu dürfen. Schliesslich erhielten wir für die SpA zwei multifunktionale Räume, in denen von Werken über Zeichnen alles möglich ist und die unseren Jugendlichen sehr entgegenkommen.
Interview: Valentin Kressler
«Wir erhoffen uns definitiv mehr Platz für Unterricht und Betreuung»
Die Primarstufe Isaak Iselin steht vor einer Sanierung und Erweiterung. Schulleiter Pascal Steiger schildert seine Erwartungen.
Wie werden Sie in die Planungen eingebunden?
Pascal Steiger: Am Standort Isaak Iselin wurden die Schulleitung und die Tagesstrukturleitung stets in die Planung einbezogen. Sei dies beim Schulhausumbau bezüglich Harmos, der um mehrere Jahre verschoben und in diesem Schuljahr als Projekt wieder aufgenommen wurde. Oder beim Ausbau der Tagesstruktur, wo wir regelmässig sowohl mit der Volksschulleitung als auch dem Leiter Raum und Anlagen im Gespräch sind.
Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit den Stellen des Kantons?
Gemeinsam mit der Tagesstrukturleitung pflege ich als Schulleiter einen engen Kontakt mit den Mitarbeitenden der Abteilung Raum und Anlagen und vereinzelt auch mit den für unsere Schule zuständigen Mitarbeitenden des Bau- und Verkehrsdepartementes. Unsere Anliegen werden gehört und wenn immer möglich zeitnah umgesetzt. Vor allem im Bereich Tagesstruktur stossen wir räumlich immer wieder an unsere Grenzen, weshalb wir uns auf Leitungsebene gemeinsam mit der Fachstelle Tagesstruktur nach geeigneten schulnahen Räumlichkeiten umsehen und diese dann der Abteilung Raum und Anlagen vorschlagen. Eine von uns gefundene Lokalität wurde diesen Sommer neu eingeweiht. Vereinzelt sind zu viele Player bei Projekten im Kanton involviert, und als Schul- und Tagesstrukturleitung ist es deshalb unklar, wer für welche Belange zuständig ist oder wer Entscheidungsträger ist.
Was erhoffen Sie sich an konkreten Verbesserungen vom Um- und Neubau?
Die Schulleitung und die Tagesstrukturleitung erhoffen sich definitiv mehr Platz für den Unterricht und die Betreuung. Wir erhoffen uns einen Ort, an dem moderne Lern- und vielseitige Betreuungsmethoden umgesetzt werden können. Es sollen Räume entstehen, in denen man sich wohl fühlt und gerne zur Schule geht und die für Kinder und Mitarbeitende praktisch sind. Zudem erhoffen wir uns, dass bei der Planung der Raumbedarf grosszügig gerechnet wird – nicht, dass wir nach dem Umbau schon wieder zu klein sind. Angesichts der rasanten Entwicklung der integrativen Schule würden wir uns zudem eine rasche Anpassung der Raumstandards wünschen. Da wir als eine der letzten Schulen nach Harmos umgebaut werden, hoffen wir auf die gemachten Erfahrungen aller Abteilungen und auf ein gutes Zusammenspiel.
Interview: Valentin Kressler