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«Kultur kann so vieles bewirken»

01.06.2022
Ein interessantes Pilotprojekt fand im Schuljahr 2021/22 an den Primarstufen Dreirosen und Thierstein statt: die Kulturstunde. Kulturschaffende besuchten dabei einmal im Monat die Schulen. Das Projekt ist dem Institut Entwicklung und Weiterbildung der Musik-Akademie Basel angegliedert, Das Schulblatt sprach mit Projektleiterin Sarah Chaksad.
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Sarah Chaksad: «Für die Lehrpersonen entsteht kein Zusatzaufwand.» Foto Laura Pleifer

Um was geht es Ihnen mit dem Projekt Kulturstunde?

 Bei der Kulturstunde geht es uns in erster Linie darum, möglichst allen Kindern einen niederschwelligen Zugang zu den unterschiedlichen Kultursparten zu ermöglichen. Die Primarstufe ist der ideale Ort dafür. Hier können wir Kinder aller Gesellschaftsschichten und -gruppierungen erreichen und für die Vielfalt der Kultur sensibilisieren. Wichtig ist uns neben der eigentlichen Präsentation der eingeladenen Kulturschaffenden, dass sich die Schülerinnen und Schüler beteiligen können. Sie können Fragen stellen, mittanzen, mitsingen, zeichnen und schreiben.

 Dass Lehrpersonen Künstlerinnen und Künstler in ihre Klassen einladen, gibt es doch schon lange. An der Primarstufe Insel gibt es sogar eine eigene Orchesterschule mit dem Sinfonieorchester Basel. Was ist speziell an Ihrem Projekt?

 Die Orchesterschule ist ein tolles Projekt! Wir möchten kein bestehendes Projekt konkurrenzieren. Speziell an der Kulturstunde ist die Tatsache, dass wir Künstlerinnen und Künstler aus den verschiedensten Kunst- und Kultursparten einladen. Von den Schulen wird es ausserdem sehr geschätzt, dass wir die Kuratierung übernehmen und den Lehrpersonen pfannenfertiges Unterrichtsmaterial zur Vor- und Nachbereitung zur Verfügung stellen. So entsteht für die Lehrpersonen kein Zusatzaufwand.

 Wie kamen Sie eigentlich auf die Idee mit der Kulturstunde?

 Das Vorbild ist Skandinavien. Als ich vor ein paar Jahren in Norwegen auf Tournee war, stand auch eine Schule auf dem Tourneeplan. In Skandinavien gehört es dazu, dass Musikerinnen und Musiker regelmässig auch in Schulen spielen. Da habe ich gedacht: Wow! So etwas wäre doch auch in Basel toll – und habe das Pilotprojekt zusammen mit meinem Team erarbeitet. Kultur kann so vieles bewirken. Gerade bei Kindern. Sie kann ihnen neue Möglichkeiten aufzeigen, die Lust und den Mut zum Ausprobieren fördern, sie kann Entdeckungen ermöglichen, Bewusstsein und Toleranz für «anderes» schaffen und fördern.

 Wieviele Kulturschaffende machen bei Ihrem Projekt mit?

 Pro Schule sind aktuell rund zwanzig Künstlerinnen und Künstler aus ganz unterschiedlichen Kultursparten dabei. Von Musik über Tanz bis hin zu Poetry Slam. Mit Les Reines Prochaines oder der albanisch-schweizerischen Jazzsängerin Elina Duni sind auch bekannte Künstlerinnen dabei.

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Auch die Jazzsängerin Elina Duni gestaltete eine Kulturstunde. Foto Julia Schwamborn

Das Pilotprojekt an der Primarstufe Dreirosen und an der Primarstufe Thierstein läuft Ende Schuljahr 2021/22 aus. Wie lautet Ihre erste Bilanz?

 Die erste Bilanz ist positiv. Die Stunden sind meines Erachtens sehr gut gelaufen. Die Rückmeldungen sowohl der Lehrpersonen als auch der Kinder sind ebenfalls sehr gut. Weil die Kulturstunden so verschieden sind, ist für alle etwas dabei. Der Auftritt von Schlagzeugerin Valeria Zangger an der Primarstufe Thierstein hat zum Beispiel einen grossen Eindruck hinterlassen – oder auch der von Gebärdensprachrapper Rolf Perrollaz. Die Kinder haben laut Rückmeldung der Lehrpersonen noch tagelang davon gesprochen.

 Ist eine Kulturstunde im Monat nicht zu wenig, um nachhaltig zu wirken?

 Das ist tatsächlich eine gute Frage. Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt mich sehr. Ich frage mich: Was können wir hier noch besser machen?

 Wo sehen Sie diesbezüglich noch Optimierungspotenzial?

 Wir stellen fest, dass das Projekt in seiner aktuellen Form sehr gut funktioniert, wenn die Lehrpersonen das von uns zur Verfügung gestellte Material für die Vor- und Nachbereitung auch nutzen. Dann ist die Kulturstunde für die Kinder eine Bereicherung, die über den Moment hinaus wirkt. Es ist aber zum Beispiel zu überlegen, ob wir den Schulen nicht noch vermehrt Material zur Verfügung stellen sollten oder Themen aufgreifen und vertiefen sollten, die von den Lehrpersonen bereits behandelt werden. Und apropos Skandinavien: Hier gibt es zusätzlich auch noch Projekte, die einen Bogen über einen längeren Zeitraum spannen können, um eine nachhaltige Wirkung zu erzielen.

 Wie geht es mit Ihrem Projekt weiter? Was sind die nächsten Schritte?

 Wir sind daran, das Pilotprojekt zusammen mit einer externen Firma und unter Einbezug der Lehrpersonen und Kinder zu evaluieren, und wir werden weitere Schlüsse daraus ziehen. An einer Schule in Windisch im Kanton Aargau läuft die Pilotphase noch bis im nächsten Jahr. Fest steht aber schon jetzt: Mit der Kulturstunde wird es sicher auch in Basel irgendwie weitergehen! Dafür ist mir und scheint allen Beteiligten das Thema zu wichtig und wir sehen aus den Rückmeldungen den grossen Bedarf für ein solches Format. Von meinem Elternhaus aus – meine Mutter war Klavierlehrerin – hatte ich schon früh die nötige Unterstützung für meine Musikkarriere. Ich bin mir bewusst, dass dies ein grosses Privileg ist, das nicht alle Kinder haben. Unser Projekt Kulturstunde kann mithelfen, eine Brücke zur Kultur und ihrer unermesslichen Vielfalt zu schlagen – und allen Kindern damit neue Möglichkeiten und Erkenntnisse für ihre eigene Entwicklung aufzeigen. Interview Valentin Kressler

 https://www.kulturstunde.ch

Sarah Ckaksad

Sarah Ckaksad (38) ist Komponistin und Saxophonistin. Zudem leitet sie den Jazzcampus Club Basel und ist Co-Leiterin des Focusyear Programms am Jazzcampus Basel. Sarah Chaksad ist in Wohlen aufgewachsen und hat an der Pädagogischen Hochschule Bern und an der Hochschule für Musik Basel studiert. Sie hat verschiedene Musikprojekte realisiert und mehrere Alben produziert. Seit Kurzem ist sie zudem Co-Präsidentin ad interim des Vereins Jazz-Live Basel, der den Basler Jazzclub Bird’s Eye betreibt. Früher war sie auch als Lehrerin tätig.

«Ein kultureller Farbtupfer»

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Schulleiter Michael Huehnert-Klinge äussert sich zur Kulturstunde.

Für die Schulleitungen der Primarstufe Dreirosen und Thierstein ist das Pilotprojekt Kulturstunde eine Bereicherung. Michael Huehnert-Klinge, Schulleiter Primarstufe Thierstein, sagt, was ihm an diesem Projekt gefällt.

Wie beurteilen Sie das Projekt Kulturstunde generell?

Das Projekt ist ein grosser Gewinn für das Angebot an unserer Schule! Der kulturelle Farbtupfer aus der Welt der professionellen Künstler ist stets ein interessanter Ein- oder Ausblick – je nach Gusto – in eine für die meisten Schülerinnen und Schüler neue und inspirierende Welt der Kunst. Die unterschiedlichen Künste wahrnehmen zu können, war dabei ein wichtiger Faktor zur Entwicklung der eigenen Perspektive.

Was schätzen Sie an diesem Projekt besonders?

Besonders geschätzt habe ich, dass während den Events neben der Vorstellung der künstlerischen Kategorie immer ein partizipativer Part mit den Schülerinnen und Schülern gestaltet wurde. Von der Wahrnehmung zum Handeln – das war ein sehr gelungenes Setting.

Wo besteht Ihrer Ansicht nach noch Verbesserungspotenzial?

Die Kulturstunden finden derzeit etwa einmal monatlich statt. Ich hätte nichts dagegen, wenn aus den Stunden Projekthalbtage würden.

Interview: Valentin Kressler

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