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Ein Leben für die Basler Volksschulen

19.09.2022
Kaum eine Lehrperson dürfte so vieles erlebt haben wie Priska Müller. Nicht weniger als 50 Jahre lang unterrichtete sie an den Basler Schulen. Wie ist so etwas eigentlich möglich? Und was ist so faszinierend am Lehrerberuf? Das Basler Schulblatt hat sie zum Gespräch getroffen, um mehr über dieses aussergewöhnliche Jubiläum zu erfahren.
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Priska Müller war Lehrerin mit Herz und Seele: «Ich hatte immer Freude am Beruf und unterrichtete sehr gerne.» Foto Grischa Schwank

Eine kleine Notiz im «BS intern», dem Personalmagazin des Kantons Basel-Stadt, machte viele stutzig: «50 Dienstjahre, Müller Priska, 01.04.72, ED, Volksschulen», hiess es da ganz zuvorderst in der Rubrik «Dienstjubiläen». «Das habe ich auch gelesen – Wahnsinn!», sagt Tobias Binz, Schulleiter der Sekundarschule St. Alban, dazu. Binz ist einer der beiden Schulleiter jener Schule, an der Priska Müller (72) zuletzt unterrichtete. Bis zum Ende des letzten Schuljahres betreute sie als stellvertretende Heilpädagogin Schülerinnen und Schüler einer Integrationsklasse im Schulhaus im Gellert.

Angefangen hat alles vor über 50 Jahren, am 1. April 1972. Müller, ursprünglich gelernte Hauswirtschaftslehrerin, startete ihre Lehrerinnen-Karriere früh bei den Sonder- und späteren Kleinklassen im Rektorat Kleinklassen beim bekannten Rektor und Pädagogen Felix Mattmüller. In der Folge, nach einer weiteren Ausbildung in Heilpädagogik und einem Studium in Deutsch, weitete sie ihr Wirkungsfeld sukzessive aus und war auf den verschiedensten Stufen tätig: Sekundarschule, Realschule, Weiterbildungsschule, Orientierungsschule, Spezialangebote, Primarschule – die ganze Bandbreite der Basler Volksschulen.

Die letzten Jahre vor ihrer ordentlichen Pensionierung im Jahr 2014 war sie hauptsächlich als Klassenlehrerin an der früheren Orientierungsschule im Einsatz. «Ich unterrichtete damals alle Fächer ausser Sport, Musik und Werken», sagt sie im Gespräch mit dem Basler Schulblatt, in dem sie jeweils ruhig und teilweise mit einem Lächeln im Gesicht antwortet. Und ergänzt nicht ohne Stolz: «Vor der Pensionierung hatte ich stets ein 100-Prozent-Pensum.»

«Jeden Tag kann man etwas erreichen»

Auch nach der Pensionierung konnte Müller nicht von der Schule lassen und unterrichte bis zum Ende des letzten Schuljahres als Stellvertreterin im Sek-Bereich weiter. «Ich hatte immer Freude am Beruf und unterrichtete sehr gerne», sagt sie. «Jeden Tag kann man etwas erreichen und die Schülerinnen und Schüler weiterbringen.» Der Lehrerberuf beinhalte zudem mehr als bloss das eigentliche Unterrichten, sagt sie – und kommt ins Erzählen: Einmal, so erinnert sie sich, habe sie der Mutter eines Schülers in den Pausen dabei geholfen, Lesen und Schreiben zu lernen. «Solche Erlebnisse sind sehr bereichernd.» Sie habe dabei aber stets darauf geachtet, sich nicht allzu fest in das Privatleben der Schülerinnen und Schüler sowie der Eltern einzumischen, betont sie. «Heute besteht teilweise leider die Tendenz, dass sich die Lehr- und Fachpersonen hier zu fest einmischen.» Freude gemacht habe ihr zudem die Zusammenarbeit mit den anderen Lehr- und Fachpersonen im Kollegium. «Das fand ich toll und war für mich ebenfalls eine grosse Bereicherung.»

«Nie gegen Neuerungen gesträubt»

Kaum eine Lehrperson im Kanton Basel-Stadt dürfte in den vergangenen Jahren so viele Veränderungen erlebt haben wie Müller. Und so viele Reformen und Umstrukturierungen im Bildungsbereich live mitgemacht haben. «Ich habe mich nie gegen Neuerungen gesträubt und versuchte stets, so positiv wie möglich zu sein», sagt sie. Insbesondere die Abschaffung der Orientierungsschule erachtet sie als «Gewinn»: Eine Schule ohne Noten sei nicht im Sinne der Schülerinnen und Schüler, ist sie überzeugt.

Stark beschäftigt sie das Modell der integrativen Schule: Die Integration von schwierigen Schülerinnen und Schülern funktioniere nur bis zu einem gewissen Niveau gut, sagt sie. Ansonsten seien diese in einem Spezialangebot pädagogisch und menschlich besser aufgehoben. Sie bedauert deshalb, dass es im Kanton Basel-Stadt aktuell nicht noch mehr solche Spezialangebote gebe. Die zusätzlichen Lehr- und Fachpersonen in den Regelklassen würden für die Schülerinnen und Schüler zudem oftmals eine «Herausforderung» darstellen: «Sie müssen sich dadurch zu oft auf immer wieder neue Personen und Gegebenheiten einstellen.»

Mit dem Ende des letzten Schuljahres soll für Priska Müller nach 50 Jahren nun aber definitiv Schluss sein mit dem Unterrichten. Ende Juni hatte sie ihren letzten Tag an der Sekundarschule St. Alban. Langweilig werden dürfte es ihr, die in Basel aufgewachsen ist und hier wohnt, auch in ihrem neuen Leben aber nicht. Müller ist ein Auto-Fan («Ich habe gerne schnelle Autos mit starken Motoren»), schaut gerne zu ihrem Ferienhaus mit Garten im Jura und liebt die französische Küche und den französischen Wein. Und wer weiss: Vielleicht erhält sie ja eines Tages doch wieder einen Anruf einer Schulleitung, die kurzfristig eine erfahrene und engagierte Lehrperson benötigt.

Valentin Kressler

«Anschaulich und direkt»

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Eric Engeler. Foto: zVg

«Jemandem sehr gerne zuhören: In der Schule haben mir solche Momente immer schon viel bedeutet, weil sie die Schulzeit überdauern und mich durchs Leben begleitet haben. Mit ihren Schülerinnen und Schülern redet Priska Müller einleuchtend einfach und genau, anschaulich und direkt. Damit sie sich die Welt besser vorstellen können. In der Schule Erfolge zu haben, wer wünscht sich das nicht? Priska Müller versteht schnell, was Jugendlichen möglich ist, und sieht, wie sie auf ihrem Weg unterstützt werden können. Ausserdem schätze ich an Priska Müller, dass sie ihre Meinung sehr offen und ohne politisch korrekte Phrasen vertritt. Im Team habe ich sie stets als loyal erlebt.»

Eric Engeler ist Heilpädagoge an der Sekundarschule St. Alban und hat mit Priska Müller zusammengearbeitet.

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