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Weiterbildung – ein Privileg

14.09.2021
Wer sich regelmässig weiterbildet, verspricht sich gemeinhin auch bessere Aufstiegschancen im Beruf. Bei Lehrpersonen ist die Motivation eine andere. Sie müssen sich weiterbilden, um neuen gesellschaftlichen und bildungspolitischen Anforderungen oder auch wissenschaftlichen Erkenntnissen gerecht zu werden. Aber was heisst müssen?
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Weiterbildung, so die gängige Meinung, erhöht die Aufstiegschancen im Beruf. Das mag für viele Branchen zutreffen. Für Lehrerinnen und Lehrer stimmt das nur bedingt. Selbstverständlich kann man zum Beispiel einen CAS Schulleitung machen, im Grossen und Ganzen aber sind die Aufstiegsmöglichkeiten für Fach- und Lehrpersonen doch eher überschaubar. Trotzdem müssen sie sich weiterbilden. Ihr Beruf hat sich in den letzten zehn, zwanzig Jahren rasant verändert: neue Anforderungen der Gesellschaft, neue Erkenntnisse der Bildungsforschung, die Harmonisierung der Schulen, Integration, Lehrplan 21, Digitalisierung … die Liste liesse sich fortführen. Mit diesen Entwicklungen gilt es Schritt zu halten, ob man will oder nicht.
Allerdings: Im Kanton Basel-Stadt gibt es  – anders als in anderen Kantonen – keine verbindlichen Vorgaben für Lehrpersonen, sich regelmässig weiterzubilden. Wie sieht es also diesbezüglich an Basler Schulen aus? Das Schulblatt hat sich bei jenen umgehört, die das wissen müssen: bei den Leitungen der Schulen. Dort scheint das Bewusstsein für die Notwendigkeit ständiger Weiterbildung gross zu sein, wie verschiedene Beispiele aus der Praxis zeigen. Allerdings gilt es auch zu verhindern, dass manche Weiterbildungsturbos sich zu sehr verausgaben oder sich in 1001 Kürslein verzetteln, während jene, die eh schon alles (zu) wissen (glauben), über Jahre keine Weiterbildung besuchen.
«Synergien nutzen» heisst ein Zauberwort. Es müssen nicht immer alle überall auf dem gleichen Stand sein. Wer eine Weiterbildung besucht hat, könnte ja neu erworbenes Wissen dem Kollegium weitervermitteln. Schulleitungen machen sich dies zunehmend zunutze. Das setzt allerdings voraus, dass sie die individuellen Stärken und Interessen ihrer Lehrpersonen kennen. – Und was ist mit individuellen Schwächen? Da liege es in der Verantwortung der Vorgesetzten, Betroffene für eine notwendige Weiterbildung zu sensibilisieren, sagen Schulleitende. Oder auch mal sanft zu schubsen, sagt der Volksschulleiter. Weiterbildung ist zwar eine Notwendigkeit. Vor allem aber ist sie ein Privileg.

«Weiterbildung ist ein Recht, nicht nur Pflicht»

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Urs Bucher, Leiter Volksschulen Basel-Stadt

Volksschulleiter Urs Bucher setzt auch in der Weiterbildungsplanung auf den Grundsatz «Fördern und fordern».

Wie bringt man Lehrpersonen dazu, Weiterbildungen zu besuchen, die für die Schulpraxis unabdingbar sind? Etwa zu grossen Reformen wie die Einführung des Lehrplans 21 oder die Digitalisierung des Unterrichts? Volksschulleiter Urs Bucher setzt stark darauf, dass die Lehrpersonen ihren Berufsauftrag ernst nehmen und sich auf freiwilliger Basis die Weiterbildungen holen, die sie brauchen. Die Schulleitungen haben dabei die Aufgabe, für einen roten Faden in der Weiterbildungsplanung zu sorgen. Und einzelne Lehrpersonen auch mal sanft zu schubsen, damit sie die Weiterbildung besuchen, die sie zum Unterrichten benötigen.

Basler Schulblatt: Im Schulblatt-Interview bei Ihrem Amtsantritt vor einem Jahr haben Sie gesagt: «Mein wichtigstes Ziel in naher Zukunft ist eine möglichst hohe Schulqualität.» Wie wollen Sie das erreichen? Und welche Rolle spielt da die Weiterbildung der Lehr- und Fachpersonen?

Urs Bucher: Weiterbildung ist sicher ein wichtiger Faktor. Aber es fängt früher an: bei der Auswahl, wer sich für eine Ausbildung zur Lehrperson eignet, und dann bei der Selektion, wenn an einer Schule eine freie Stelle zu besetzen ist. Da gilt es genau hinzuschauen: Welche Voraussetzungen und Werte bringt jemand mit, wo steht die Person? Zu den wichtigsten Pflichten der Schulleitungen gehört es, die geeigneten Leute anzustellen. Natürlich spielt da auch der Markt: Wenn eine Gymnasialrektorin eine Sportlehrperson sucht, kann sie andere Massstäbe ansetzen, als wenn wir an den Volksschulen die Lücken in der Heilpädagogik schliessen müssen.

Einmal angestellt, gibt es in Basel-Stadt keine umfangmässig verbindliche Pflicht, sich stetig weiterzubilden.

Aber man darf! Basler Lehr- und Fachpersonen haben ein Recht auf Weiterbildung, das sie selbstverständlich nutzen sollten. Viele tun das auch, denn den allermeisten dürfte klar sein, dass man diesen Beruf nicht jahrzehntelang ausüben kann, ohne sich permanent weiterzubilden. Die Tertialisierung der Lehrerausbildung und auch die zunehmende Zahl von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern haben das Berufsverständnis sicher in diese Richtung beeinflusst.

In Basel-Stadt ist im Berufsauftrag nicht klar festgelegt, welcher Anteil der Jahresarbeitszeit für Weiterbildung eingesetzt werden muss. Würde es helfen, wenn im Berufsauftrag, wie etwa an Baselbieter Schulen, zwei Prozent der Jahresarbeitszeit für Weiterbildungen reserviert wären?

Vielleicht ja, denn das würde den Schulleitungen den Rücken stärken. Sie hätten dann quasi eine formulierte Legitimation, Weiterbildung einzufordern. Ich bin allerdings skeptisch, ob das in der Praxis viel mehr bringt als die jetzige Lösung. Weiterbildung ist ja bei uns im Berufsauftrag bereits aufgeführt als eine von mehreren (gleichwertigen) Aufgaben, die in den 15 Prozent Arbeitszeit ausserhalb des eigentlichen Unterrichts gebührend Platz haben müssen.  

Sie setzen also darauf, dass es ohne schärfere Vorgaben geht?

Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass die allermeisten Lehrpersonen diesen Auftrag ernst nehmen und ihren Job gut machen wollen. Jemandem eine Weiterbildung zu verordnen, deren Nutzen er oder sie nicht einsieht, bringt erfahrungsgemäss nicht viel und kann letztlich sogar kontraproduktiv sein. Zudem wäre der Aufwand, solche quantitativen Vorgaben kontrollieren zu müssen, in keinem Verhältnis zum Nutzen.

Auch wenn die Weiterbildungen in der Regel freiwillig sind – ist es Aufgabe der Schulleitungen dafür zu sorgen, dass sich ihre Lehr- und Fachpersonen regelmässig weiterbilden?

Der Anspruch «Fördern und fordern» gilt nicht nur für Lehrpersonen, sondern auch für Schulleitungen! Sie sind für eine adäquate Qualität ihres Kollegiums verantwortlich. Dabei geht es nicht um Spitzenleistungen einzelner. Wichtig ist eine durchgehend gute Qualität des gesamten Kollegiums. Dazu gehört natürlich auch die Frage: Wer braucht wann welche Weiterbildung? Eine Schulleitung muss ihr Kollegium fit machen, um in einer sich zunehmend beschleunigenden Welt und einem Berufsfeld, das sich stetig verändert, bestehen zu können.

Kein leichter Auftrag – neben den vielen Aufgaben, die Schulleitungen sonst noch haben …

Ein Führungsauftrag bringt es mit sich, auch unangenehme Themen und Mängel anzusprechen, wenn man sie feststellt. Auch wenn Weiterbildungen bei uns in der Regel auf freiwilliger Basis gemacht werden, können Schulleitungen im Dialog ihre Fach- und Lehrpersonen zu gezielter Weiterbildung motivieren und sie nötigenfalls in eine bestimmte Richtung schubsen. Manchmal muss man dabei wohl auch etwas penetrant sein. Aber eigentlich sollten Lehrpersonen dies ja von sich aus wollen. Schliesslich ist es ein Privileg, Weiterbildungen besuchen zu dürfen.

Wie sieht so ein «Schubsen» konkret aus?

Wichtig ist, dass es an jeder Schule eine klare Vorstellung gibt, welche Kompetenzen die Mitarbeitenden brauchen, und es dementsprechend auch einen roten Faden bei der Planung der Weiterbildungen gibt. Gerade über Holkurse und schulinterne Weiterbildungen für alle – zum Beispiel am Dreitageblock – lässt sich da einiges steuern. Schulleitungen müssen den Überblick haben, wo jemand steht, und das dann in einem Mitarbeiterportfolio festhalten und nachtragen, wenn sich etwas verändert hat. Jemanden zu einer Weiterbildung zu «verbrummen», deren Nutzen nicht eingesehen wird, bringt niemandem etwas. Ich halte viel vom Konzept Nudging, das von den amerikanischen Professoren Richard Thaler und Cass Sunstein entwickelt und auch von Barack Obama erfolgreich angewandt worden ist (siehe Kasten). Mit einem sogenannten nudge, dem englischen Wort für sanfter Schubs, können auch an Schulen Entwicklungen auf freiwilliger Basis angestossen werden.

Es gibt aber Themen und Bereiche, in denen Weiterbildung schlicht unabdingbar ist und nicht auf Freiwilligkeit beruhen kann.

Das ist richtig. In der Vergangenheit ist das beispielsweise bei der Einführung der Passepartout-Lehrmittel vom Erziehungsrat so beschlossen worden. Auch bei grundlegenden Veränderungen wie der Einführung des Lehrplans 21 oder aktuell der Digitalisierung der Volksschulen müssen die Schulen sicherstellen, dass alle Lehrpersonen die nötigen Kompetenzen erwerben.

Und wie wird sichergestellt, dass alle Lehrpersonen, deren Klassen nun mit teuren EduBS-Books ausgerüstet werden, diese nicht nur technisch bedienen, sondern auch sinnvoll im Unterricht einsetzen können?

Auch hier setze ich zunächst einmal auf die Einsicht, dass alle auf ihrem Niveau die Weiterbildungen besuchen, die sie für einen sinnvollen Einsatz der Geräte im Unterricht brauchen. Wenn dies nach dem Prinzip der Freiwilligkeit nicht möglich sein sollte, wird die Volksschulleitung beim Erziehungsrat die Erlaubnis zu verbindlicheren Vorgaben einholen müssen.

Interview Peter Wittwer und Yvonne Reck Schöni

Was ist Nudging?

Das englische Wort nudge bedeutet: kleiner Schubs. Basierend auf diesem Begriff, den man im übertragenen Sinn auch als Denkanstoss übersetzen könnte, hat der amerikanische Wirtschaftswissenschafter Richard Thaler ein Konzept entwickelt, wie sich menschliches Verhalten beeinflussen lässt, ohne dabei auf ökonomische Anreize oder Zwänge zurückgreifen zu müssen. Seit er 2008 seine Theorie zusammen mit dem Rechtswissenschafter Cass Sunstein im Bestseller «Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstösst» dargelegt hat, ist Nudging zu einem viel verwendeten Begriff in der Verhaltensökonomie geworden.
Bei ihrer Strategie, wie man Menschen (positiv) beeinflussen kann, ohne sie zu bevormunden, gehen die Autoren davon aus, dass Menschen sich in vielen Situationen anders verhalten, als sie es gemäss der Theorie der rationalen Nutzenmaximierung eigentlich in ihrem eigenen Interesse tun müssten. Durch nudges kann dies nach Thaler und Sunstein korrigiert werden. Die beiden Wissenschaftler illustrieren dies in der Einleitung des (sehr unterhaltsamen) Buches am Beispiel einer Leiterin einer Schulkantine, die durch die Platzierung von Obst und Gemüse auf Augenhöhe dafür sorgt, dass diese gesunden Lebensmittel eher gewählt werden als die süssen Desserts am Ende der Theke. Ein klassisches Beispiel für Nudging in umgekehrter Richtung sind auch die Warnhinweise auf Zigarettenschachteln, mit denen dem schädlichen Tabakkonsum der Kampf angesagt wird. Wenn solches Nudging vom Staat eingesetzt wird, spricht man von libertärem Paternalismus – ein Begriff, der in westlichen Gesellschaften gerade in Corona-Zeiten bei der Diskussion ums Impfen zusätzliche Aktualität und Brisanz erhalten hat.

Schulleitungen in der Verantwortung

Wie halten es Schulleitungen mit dem Thema Weiterbildung in ihren Kollegien? Das Schulblatt hat an vier Standorten nachgefragt.

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Tagesstruktur miteinbeziehen

Magdalena Mathys, Schulleiterin Primarstufe Bläsi

«Neben unserem Schwerpunktthema Digitalisierung und den aktuell ebenfalls hoch gewichteten Themen Sprachbewusster Unterricht und Neue Autorität steht Weiterbildung bei uns immer auch im Fokus. Und immer ist die Tagesstruktur miteinbezogen, denn Förderung findet überall statt», sagt Magdalena Mathys, Schulleiterin am Primarstandort Bläsi. Regelmässig finden Weiterbildungsanlässe für das ganze Kollegium statt, nicht nur am 2- oder 3-Tage-Block. Fest eingeplant sind etwa vierstündige Weiterbildungen an vier Mittwochnachmittagen pro Jahr. Hierfür werden Referentinnen oder Referenten eingeladen. «Zum Beispiel zum Thema Beurteilungskultur. Das sind oft ganz tolle Anlässe», so die Schulleiterin.
Seit gut einem Jahr führt jede Lehrperson ein persönliches Weiterbildungsportfolio, das am MAG diskutiert wird. «Das gibt uns einen guten Überblick, wer in welchem Bereich gut unterwegs ist und wo wir Synergien nutzen können», so Mathys. «Wenn wir als Schulleitung bei einer Lehrperson das Gefühl haben, dass auf einem bestimmten Gebiet Weiterbildungsbedarf besteht, wird das in der Zielvereinbarung festgehalten. Eventuell suchen wir dann gemeinsam nach einer geeigneten Weiterbildung. Und was in der Zielvereinbarung steht, ist natürlich verbindlich.»
Oft geben Lehrpersonen, die eine Weiterbildung besucht haben, ihr Wissen ans Kollegium weiter, zum Beispiel im Rahmen einer Schulsitzung. Manchmal geht die Schulleitung auch gezielt auf jemanden zu und fragt: «Hast du Lust, dies oder das zu besuchen und uns darüber zu berichten?» Manchmal, so Mathys, werde auch eine Lehrperson mit Schwächen zum Unterrichtsbesuch bei einer Kollegin oder einem Kollegen geschickt. Im Bereich Digitalisierung ist am Standort Bläsi zudem die kollegiale Weiterbildung in Supportgruppen etabliert: Digital versierte Lehrpersonen helfen jenen Kolleginnen und Kollegen auf die Sprünge, die noch nicht so weit sind. Auch hier werden also Synergien genutzt.    

Yvonne Reck Schöni 

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Portfolios schaffen Übersicht

Samuel Steiner, Schulleiter Sekundarschule Sandgruben

An der Sekundarschule Sandgruben hatte Weiterbildung schon immer viel Gewicht, in Zukunft rückt das Thema noch mehr in den Fokus: Neu wird für jede Lehrperson ein Portfolio angelegt, in dem festgehalten wird, welche Weiterbildungen die betreffende Person schon gemacht hat, was sie zusätzlich interessieren würde oder in welchem Bereich eventuell akut Bedarf besteht, um den Anschluss nicht zu verlieren. Dies anhand eines Portfolios sichtbar zu machen, sei von der Volksschulleitung vor geraumer Zeit an einer Schulleitungskonferenz so angeregt worden, erklärt Schulleiter Samuel Steiner, «und wir halten das für eine gute Sache. So haben auch wir als Schulleitung eine Übersicht, wer welche besonderen Kompetenzen hat.»
Im vergangenen Schuljahr wurden – auch darum – mit sämtlichen Lehrpersonen Mitarbeitergespräche geführt. Dabei habe sich gezeigt: Der Wunsch nach Weiterbildungen ist sehr gross. «Gewisse Lehrpersonen muss man eher bremsen, damit sie sich nicht zu viel aufbürden», sagt Steiner. «Viele sind ohnehin schon am Limit, weil der Schulalltag den Lehrpersonen viel abverlangt.» Aber klar, es gebe schon Leute, die etwas sanften Druck brauchen, damit sie sich in einem Bereich weiterbilden, in dem individuell Bedarf besteht. Generell aber werde Weiterbildung als Unterstützung verstanden.
Das Festhalten zusätzlich erworbener Kompetenzen im Portfolio hat noch einen weiteren Vorteil: Es wird klar ersichtlich, wer zu welchem Thema besonderes Wissen hat. Diese Leute können ihr Wissen dann zum Beispiel in einer Schulkonferenz, in einer Sequenz am 3-Tage-Block oder wo immer im Schulbetrieb ans gesamte Kollegium weitervermitteln. Ein Gewinn für alle.

Yvonne Reck Schöni

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An den Gymnasien läuft viel via Vernetzung

Christian Döbeli, Rektor Gymnasium Leonhard

Weiterbildung findet an den Gymnasien auf ganz unterschiedlichen Ebenen statt. «Dieses Semester hat bei uns am Gymnasium Leonhard eine Lehrperson auf eigene Initiative hin an der ETH ein Modul zum Thema Klimawandel belegt, um auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand unterrichten zu können», sagt Rektor Christian Döbeli. Er selbst hat für medizinische Notfälle im Schulhaus einen Reanimationskurs besucht. Über die Fachschaften, die sich über die einzelnen Gymnasien hinaus vernetzt haben, läuft ebenfalls einiges, damit alle in ihrem Fach up to date sind und bleiben. In den Fremdsprachenfächern etwa gibt es Austauschprogramme – in Französisch mit einer Partnerschule in Neuchâtel, in Englisch mit Boston oder in Spanisch mit Valencia –, von denen auch die Lehrpersonen und das Gymnasium Leonhard als Ganzes profitieren.
Neben fachlichen Weiterbildungen gibt es auch an Mittelschulen Bereiche mit Weiterbildungsbedarf, die das ganze Kollegium betreffen. Als Erstes fällt einem da natürlich die Digitalisierung des Unterrichts ein. Digitaler Unterricht auf der Basis des Prinzips «Bring your own device» erfordert von Gymnasiallehrpersonen einerseits technisches Know-how, um Inhalte auf all den unterschiedlichen Geräten zum Laufen zu bringen. Zudem sollte man abschätzen können, ob etwas wirklich den geforderten pädagogischen Mehrwert bringt. «Bei der Digitalisierung sind wir am Gymnasium Leonhard auf sehr gutem Weg», ist Döbeli überzeugt: «Ohne grössere Probleme konnten die über 160 Neueintretenden am ersten Schultag die notwendigen Programme unter Anleitung der Lehrpersonen installieren. Und nach diversen schulinternen Weiterbildungen mit externen Fachleuten spüre ich im Kollegium viel Bereitschaft, mit Unterstützung unseres internen Leo-Digital-Teams das erworbene Know-how praktisch auszuprobieren.»
Im Bereich Schulentwicklung entstand aus dem Kollegium die Initiative, fächerübergreifende Projekte zu entwickeln, die im Rahmen des Lehrplans pädagogisch sinnvoll mit BYOD verbunden werden können. Die Schulleitung unterstützt diese Idee und sieht eine erste Umsetzung und Evaluation für das nächste Schuljahr vor.

Peter Wittwer      

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An Berufsschulen ist das Thema gross geschrieben

Karin Zindel, Direktorin Berufsfachschule Basel

Welch hohen Stellenwert die Weiterbildung an der Berufsfachschule Basel (BFS Basel) hat, lässt sich schon daran ablesen, dass die stellvertretende Direktorin einen Grossteil ihres Pensums der Organisation der internen und externen Weiterbildung widmet. Dass die Weiterbildung derart stark gewichtet wird, hat auch damit zu tun, dass die Lehrpersonen in der Berufsbildung ihre pädagogische Ausbildung teils erst berufsbegleitend absolvieren. Fachlich haben sie davor in ihrem Berufsfeld die höchstmögliche Ausbildung abgeschlossen. Die angehenden Pharma-Assistentinnen und -Assistenten etwa werden an der BFS Basel von Lehrpersonen unterrichtet, die ein Pharmaziestudium abgeschlossen haben und dann vor ihrer Festanstellung eine mindestens einjährige pädagogische Ausbildung durchlaufen.
«An unserer Schule ist die Weiterbildung seit Jahren ein selbstverständlicher Teil der Schulkultur», sagt Karin Zindel, die vor ihrer Wahl zur Direktorin als pädagogische Leiterin das Dossier Weiterbildung betreut hat. Zu gesamtschulischen Unterrichtsentwicklungsthemen gibt es schulintern immer wieder verbindliche Weiterbildungen für das ganze Kollegium oder Teile davon. In den letzten Jahren im Fokus standen dabei Themen wie die Förderung des selbstorganisierten Lernens oder die Verankerung des kompetenzorientierten Unterrichts. In diesen Kontext gehört auch die an der BFS Basel beschleunigte Digitalisierung: «Hier konnten wir davon profitieren, dass wir schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie unsere digitale Strategie so weit vorgespurt hatten, dass wir zur Umsetzung nur ein halbes Jahr statt der geplanten drei Jahre brauchten», sagt Karin Zindel.
Daneben gibt es auch ein weites Feld von individuellen Weiterbildungen, die von der Schulleitung je nach Nutzen für die Schule entsprechend unterstützt werden. Die einen bilden sich vielleicht durch den Besuch einer Fachtagung persönlich weiter, während sich andere schulintern für die Leitung einer Fachgruppe oder als Klassenlehrpersonen qualifizieren. Und schliesslich gibt es für Lehrpersonen, die eine «betriebsrelevante Zusatzfunktion» übernehmen möchten, die Möglichkeit einer CAS-Ausbildung. Dadurch werden sie befähigt, beispielsweise die «Fachkundige individuelle Begleitung» (FiB) in den EBA-Ausbildungen, das Coaching in der Lernberatung oder den pädagogischen ICT-Support zu übernehmen.

Peter Wittwer

Zwei Tage Intensivprogramm

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Die Sekundarschule Sandgruben nutzt den 2-Tage-Block für gezielte Weiterbildung

Eigentlich sind noch Sommerferien. Keine Schülerinnen und Schüler weit und breit. Trotzdem herrscht auf dem riesigen Areal der Sekundarschule Sandgruben reger Betrieb. An den letzten beiden Tagen der Sommerferien findet – wie an anderen Schulen auch – der 2-Tage-Block statt. Respektive 2½-Tage-Block, denn die Neuen im Kollegium der Sek Sandgruben erhalten jeweils schon am Mittwoch Nachmittag die wichtigsten Informationen und können sich in etwas intimerem Rahmen vorbereiten auf ihre neue Wirkungsstätte, die als Atelier- und Erfahrungsschule doch viele Besonderheiten aufweist.
Ab Donnerstag dann das grosse Wiedersehen mit allen. Viel Zeit für «Hallo!» und «Wie war’s?» bleibt nicht. Auf dem Programm steht zunächst die gemeinsame Startsitzung, danach folgen Besprechungen zu verschiedenen Themen in unterschiedlichen Gruppierungen: Fachgruppenleitungen, Teamleitungen, Pädagogische Teams … Da steht vor allem Administratives im Vordergrund, Absprachen zum Austausch, Vorbereitungen für den ersten Schultag oder das Einrichten der Zimmer. Immerhin: Beim freiwilligen Umtrunk ab 17 Uhr gibt’s dann doch noch Gelegenheit für «Hallo!» und «Wie war’s?»

Kommunikation in der Heilpädagogik
Den Freitag widmet die Sek Sandgruben der Weiterbildung, angepasst an die verschiedenen Rollen, die die Lehrpersonen im Kollegium einnehmen. Und es beginnt straff. Nichts von gemütlichem Eintrudeln. Um acht Uhr sitzen alle Heilpädagoginnen und Sozialpädagogen in der Aula und konzentrieren sich auf das Referat und die Präsentation von Barbara Kunz Egloff, Beraterin und Dozentin für Integrative Pädagogik an der PH FHNW. Thema: Standortbestimmung entlang der ICF-Lebensbereiche und spezifische Abklärungen. Es geht um förderdiagnostische Prozesse, mögliche Abläufe, den Einbezug verschiedener Perspektiven – und im Besonderen um die Formulierungen, die in Standortbestimmungen verwendet werden. Respektive eben nicht verwendet werden sollten, weil sie nicht exakt und neutral beschreiben, sondern interpretieren oder werten.
Die internationale Klassifikation ICF (Classification of Functioning, Disability and Health) verfolgt das Ziel einer international einheitlichen Kommunikation. Der Weg dorthin ist lang. In einer Standortbestimmung sollte eben nicht stehen: Luca kommt gern zur Schule. Das ist Interpretation. Objektiv feststellbar ist: Luca kommt pünktlich zur Schule. Luca macht im Unterricht mit. Anhand von eigenen Förderberichten aus dem vergangenen Schuljahr wird danach in Gruppen nach solchen fragwürdigen Formulierungen gesucht respektive werden bessere Lösungen diskutiert. Und dies war nur ein Teil des dichten Weiterbildungsmorgens.

Weiterentwicklung der Differenzierung
Zur gleichen Zeit trafen sich in einem anderen Raum Fachgruppenleitungen und weitere Interessierte zu einem Input zum Thema Differenzierung. Ein Aspekt, der an einer altersdurchmischten Schule noch mehr im Zentrum steht als anderswo. Welche internen und externen Faktoren sind gegeben, welche anpassbar? Was darf  man bei aller Differenzierung nicht vergessen (LP 21, Anforderungen der Berufswelt …)? Andi Thommen leitet den Kick-off für eine praxisorientierte Auseinandersetzung mit dem Thema Differenzierung, die in den folgenden Wochen und Monaten in den Fachgruppen weiterdiskutiert und weiterentwickelt wird. Thommen gehört selber zum Kollegium, ist aber von der Schulleitung teilentlastet worden, um sich vertieft dieser Thematik zu widmen.
Ein weiteres Zeitfenster dieses Weiterbildungstages gehört den so genannten Funduskarten. Das sind Karten, die für die jeweiligen Fächer und zu verschiedenen Themen Anregungen für den Unterricht zeigen – entwickelt von den Lehrpersonen selber. Diese Boxen mit Funduskarten werden stetig ergänzt und die neuen Karten in den Fachgruppen oder – bei überfachlichen Themen – eventuell in der Schulkonferenz vorgestellt.
In Zusammenarbeit mit Ira Patocka, Lehrerin an der Sek Sangruben, und dem PZ.BS findet an diesem Tag auch noch die Fortführung des bereits im April gestarteten Workshops zum Thema Differenzierende Aufgaben und Beurteilungsformen in gestalterischen Fächern statt. In diesem Workshop geht es darum, alle Anspruchniveaus adäquat zu fördern, passende Bewertungskriterien und -raster zu finden und dabei das eigene Zeitmanagement und Ressourcen unter Kontrolle zu halten. – Und damit bei so viel Weiterbildung die Lehrpersonen bei Laune bleiben, gibt es ein Znüni für alle. Eine weitere Gelegenheit für «Hallo!» und «Wie war’s?»    

Yvonne Reck Schöni

«In der Berufswelt regelt fast alles der Markt»

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Manche Berufsfelder verändern sich laufend und rasant. Wie steht es um die Weiterbildung in der Berufsbildung?

In der Berufswelt wird alle fünf Jahre kontrolliert, ob die rund 200 Ausbildungen, die in Basel-Stadt angeboten werden, noch auf die Bedürfnisse des Marktes zugeschnitten sind. Die Lehraufsicht übernimmt dabei die Qualitätskontrolle und arbeitet eng mit dem Bund und den Berufsbildnerinnen und Berufsbildnern zusammen. Das Basler Schulblatt hat sich mit Lehraufsicht-Leiterin Brigitta Spalinger unterhalten über Unterschiede und Gemeinsamkeiten zur schulischen Bildungswelt.

Basler Schulblatt: Brigitta Spalinger, was kann eine Lehrperson von einem Ausbildner oder einer Ausbildnerin im Betrieb lernen?

Ganz einfach: Die Verknüpfung zum Leben. Schulunterricht ist mir zum Teil etwas gar viel «L’art pour l’art». In der Berufsbildung ist der Anwendungsnutzen konkreter und du bekommst direktes Feedback. Wenn schlecht gearbeitet wird, sind die Kunden unzufrieden und man verdient weniger, so einfach ist das. Ich möchte aber die Schule auf keinen Fall entwerten, Theorie ist auch sehr wichtig.

Und umgekehrt? Was können Betriebe von der Schule lernen?

Berufe sind oft eine eigene Welt in der Welt. Hier wäre es dienlich, dass man den Horizont erweitert, dass man über Grenzen hinausdenkt, offen ist für neue Impulse oder sich weiterbildet. Dass die Gärtner mit den Schreinerinnen sprechen und ihre Probleme besprechen. Der Existenzdruck und der Alltag kommen da aber oft dazwischen.

Als Betrieb habe ich meine eigene Rendite vor Augen. Kommt da die Aus- und Weiterbildung nicht zu kurz?

Das widerspricht sich doch nicht. Du musst ein Geschäft haben, das floriert. Erst dann ist es möglich, Lernende auszubilden. Und diese Ausbildung braucht Zeit. Klar, ein Lernender darf mit seinem geringeren Lohn für ein Geschäft auch rentieren. Doch Betriebe, die ihre Lernenden nur ausnutzen, bilden oft nicht sehr lange aus – die Jugendlichen merken das und wollen mehr.

Muss die Lehraufsicht manchmal intervenieren, damit die Qualität der Ausbildung gewährleistet wird?

Das kommt vor, ja. Unsere Rollenverteilung ist klar: Wir sind für die Qualität der Berufsbildung zuständig. Unsere Inputs bekommen wir ganz direkt, von den Lernenden, aber auch den Berufsbildnerinnen und Berufsbildnern. Die sagen uns, wenn in einer Branche etwas schief läuft. Wenn wir intervenieren, hören wir oft: «Was wollt ihr vom Kanton jetzt wieder? Ihr habt doch keine Ahnung!» Da muss man dann jeweils klarstellen, dass wir nur für die Kontrolle zuständig sind, die Inhalte einer Ausbildung jedoch bestimmt der jeweilige Berufsverband, die erfinden nicht wir am Bürotisch.

Vermittelt eigentlich ein Berufsbildner oder eine Berufsbildnerin Inhalte anders als eine Lehrperson in der Schule?

Nun, die Situation ist natürlich eine andere. Der Mathelehrer erklärt einen Dreisatz und da gibt es dann Jugendliche, denen das Fach stinkt und die abschalten. In einem Gastrobetrieb merkt aber ein Lehrling, dass es einen Unterschied macht, ob man ein Gericht für sieben oder für 30 Personen zubereitet. Da hat man eine andere Motivation und eine konkrete Situation, in der man einen Dreisatz anwenden kann. Die Sinnhaftigkeit ist grösser.

Das klingt alles schön und gut und mag vielleicht auf eine junge, motivierte Berufsbildnerin zutreffen. Wie aber schaut es mit dem 65-jährigen Schreinerlehrmeister aus, der sein ganzes Leben mit den Händen gearbeitet hat und nun Leute auf computergesteuerten Maschinen ausbilden muss?

Das Schöne an der Berufsbildung ist ja, dass der Markt praktisch alles regelt. Wenn jemand sein Leben lang mit «Laubsäägeli» arbeiten möchte und der Markt gibt das her, dann ist das okay. Ausbilden kann man dann aber nicht mehr. Die jungen Leute müssen nach den geltenden gesetzlichen Vorgaben ausgebildet werden. Entwickelt sich eine Firma nicht weiter, dann geht das nie lange gut. Dann kann das existenzgefährdend sein und bis zum Konkurs führen

Wenn Sie am Reissbrett den perfekten Berufsbildner, die perfekte Berufsbildnerin konstruieren könnten, was käme dabei heraus?

Wenn ich Lernende ausbilde, dann steht eine hohe soziale Kompetenz an oberster Stelle. Da unterscheidet sich die Berufswelt nicht gross von der Pädagogik. Wenn jemand gut und einfach etwas erklären kann und nicht einfach «Mach emoll» sagt, dann ist schon sehr viel gewonnen. Man muss Verständnis haben und man muss oft die gleichen Dinge immer und immer wieder erklären. Gleichzeitig – und hier gibt es einen Unterschied zum Unterricht – haben Berufsbildnerinnen und Berufsbildner immer einen eigenen Job, also ihr Kerngeschäft, das sie nicht aus den Augen verlieren dürfen. Die Ausbildung kommt noch zusätzlich zum Tagesgeschäft hinzu. Da braucht es grosse Motivation. Wenn wir in Weiterbildungen jeweils mit diesen Menschen sprechen, frage ich immer: «Wollen Sie hier sein oder müssen Sie hier sein?» Wenn man in das Amt eines Berufsbildners oder einer Berufsbildnerin gezwungen wird, dann wird es schwierig. Man muss Freude an dieser Aufgabe haben und vom Betrieb Zeit zur Verfügung gestellt bekommen.

Ist die Qualität der Ausbildung von Branche zu Branche unterschiedlich?

Ganz klar: Nein. Du hast in allen Branchen gute und schlechte Betriebe. Nehmen Sie die Entwässerungstechnologen, die nennen sich stolz «Kanalratten». Ich habe in diesen Betrieben die motiviertesten Menschen getroffen, das ist sehr bereichernd. Oder generell Branchen mit einem geringeren Sozialprestige, zum Beispiel Coiffeurbetriebe – da gibt es geniale Ausbildnerinnen und Ausbildner. Oder in der Gastronomie: Da gibt es eine Wahl beim Ausbildungsort. Man kann die Lehre bei McDonalds oder im Les Trois Rois machen, aber es hängt immer vom Herzblut der Berufsbildner und Berufsbildnerinnen ab.

Jetzt haben wir praktisch nur über die Ausbildnerinnen und Ausbildner gesprochen. Deshalb zum Schluss die Frage: Was ist eigentlich mit den Lernenden? Gab es da eine Entwicklung über die letzten Jahre?

Vieles hat sich verändert, einiges ist aber auch gleich geblieben. Früher wählten mehr Jugendliche eine berufliche Grundbildung, heute geht der Weg eher in Richtung weiterführende Schulen. Die Gründe sind unterschiedlich: der Wunsch der Eltern, mehr Ferien, Bequemlichkeit … Dabei sind längst nicht alle Jugendlichen in der Schule am richtigen Platz. Ich staune auch heute noch, wie bei den Lernenden die Persönlichkeitsentwicklung in der Ausbildung gefühlt zehnmal schneller geht als in der Schule. Unzuverlässige werden zuverlässig und Uninteressierte plötzlich interessiert. Die eigene Wirksamkeit am Arbeitsplatz zu spüren, das macht stolz: Man trägt seinen Teil zur Gesellschaft bei.

Interview Simon Thiriet

Welche Weiterbildung gibt’s wo?

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Geht es um Weiterbildung, sind das PZ.BS und die PH FHNW für die Basler Schulen die ersten Adressen

Seit die Ausbildung der Lehrpersonen auf die Hochschulebene verschoben worden ist, sind es in der Schweiz primär die Pädagogischen Hochschulen, die für die Grund- und Weiterbildung im Schulbereich zuständig sind. Auch hier tickt der Kanton Basel-Stadt allerdings etwas anders: Nicht die vierkantonale PH FHNW, sondern das Pädagogische Zentrum PZ.BS spielt am Rheinknie in Sachen Weiterbildung nach wie vor die erste Geige.
Von ihrem Berufsauftrag her sind die Basler Lehrpersonen frei, wie sie ihrer dort verankerten Weiterbildungsverpflichtung gerecht werden wollen. Anders als etwa im Baselbiet, wo Lehrpersonen jedes Jahr zwei Prozent ihrer Jahresarbeitszeit zur Weiterbildung einsetzen müssen, ist nicht einmal vorgegeben, wie viel Zeit der Weiterbildung eingeräumt werden muss. Ebenfalls nicht vorgeschrieben ist, wo und in welcher Form sich Lehr- und Fachpersonen nach Abschluss ihrer Grundausbildung auf dem aktuellen Stand halten. Im Rahmen des Konzeptes der teilautonom geleiteten Schulen sind die Schulleitungen dafür verantwortlich, dass alle im Kollegium sich durch Weiterbildungen die Kompetenzen aneignen, die sie zum Unterrichten brauchen.
Ganz so frei sind die Basler Lehrpersonen allerdings de facto nicht, auch wenn es in Basel in der Regel selbst bei grossen Reformvorhaben wie der Einführung des Lehrplan 21 keine Weiterbildungsobligatorien gibt. Wenn einmal vom Grundsatz der Freiwilligkeit abgewichen wird, geht es meist darum, dass Lehrpersonen Zusatzqualifikationen für eine neue Stufe oder den Einsatz eines neuen Lehrmittels erwerben wollen beziehungsweise müssen. Das war in letzter Zeit etwa der Fall, wenn eine Kindergärtnerin via die sogenannte 100-Stunden-Weiterbildung nachträglich ihre Unterrichtsberechtigung auf die Unterstufe der Primarschule ausweiten wollte.

Obligatorien machen in der Regel wenig Sinn
Abgesehen von solchen Ausnahmen wird in Basel-Stadt der Grundsatz hochgehalten, dass der Besuch von Weiterbildungen freiwillig sein soll. Die Praxis hat nämlich gezeigt, dass verordnete Weiterbildungen, deren Sinn nicht eingesehen wird, wirkungslos bis kontraproduktiv sind. «Um Inhalte aus Weiterbildungen nachhaltig und wirksam im Unterricht und an der Schule einzubringen, braucht es weitere Elemente. Dazu gehören das Einbinden der Schulleitungen, das Lernen von und miteinander im Kollegium und das Fokussieren auf gemeinsame und machbare Ziele», ist denn auch Christoph Gütersloh überzeugt. Er leitet – zusammen mit Melanie Thönen – den Bereich «Weiterbildung, Schul- und Unterrichtsentwicklung» beim PZ.BS.
Wenn nicht über Obligatorien – wie sonst kann man sicherstellen, dass beispielsweise in einem Kollegium alle wissen, wie die neuen eduBS-Books sinnvoll im Unterricht eingesetzt werden können? Zum einen hilft da sicher, ein möglichst praxisnah ausgerichtetes Weiterbildungsangebot zusammenzustellen, das alle dort abholt, wo sie gerade stehen. Beim oben genannten Beispiel etwa hat das PZ.BS deshalb im Auftrag der Volksschule ein Weiterbildungsprogramm entwickelt, das die höchst unterschiedlichen Vorkenntnisse berücksichtigt. Sowohl Lehrpersonen, die bereits Probleme mit Texterfassung im Word-Programm haben, wie auch fortgeschrittene Informatik-Cracks finden so Weiterbildungen, die ihnen das Wissen vermitteln, das sie für ihren Unterricht brauchen.

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Nähe zum Schulstandort ist wichtig
Eine starke Kundenorientierung ist für eine Institution wie das PZ.BS der Schlüssel, um sich gegen andere Anbieter wie die PH und kommerzielle Konkurrenz behaupten zu können. Wichtige Gründe, weshalb Basler Lehrpersonen sich primär am Angebot des PZ.BS orientieren, sind die räumliche Nähe, das auf die lokalen Rahmenbedingungen abgestimmte Angebot und der für die Teilnehmenden meist unschlagbar günstige Preis. Die Weiterbildungen am PZ.BS werden nämlich in der Regel zum Grossteil oder ganz vom Arbeitgeber finanziert. Ein Angebot in Basel oder häufig sogar am eigenen Standort zu belegen, hat auch den Vorteil, dass man sich oft persönlich kennt. Bereits einen Kurs der PH FHNW in Brugg-Windisch oder Olten zu besuchen, ist für viele eine (zu) grosse Hürde. Und noch weiter weg eine Tagung oder einen Kurs an einer anderen PH oder einen Sommerkurs des Vereins «Schule und Weiterbildung» zu besuchen, kommt erst recht nur für eine Minderheit in Frage.
Entschärft wird der Konkurrenzkampf unter den Anbietern auch dadurch, dass sich die nichtkommerziellen Weiterbildungsanbieter in der Region immer wieder untereinander absprechen und Kooperationen eingehen. Mit dem Amt für Volksschulen des Kantons Basel-Landschaft geht das so weit, dass das über 300 Angebote umfassende Kursprogramm alljährlich gemeinsam ausgeschrieben wird. Auch die PH FHNW sieht Susanne Rüegg, die Leiterin des PZ.BS, bei der Weiterbildung nicht in erster Linie als Konkurrentin, sondern als Partnerin, die das abdeckt, was man selber nicht anbieten kann, beispielsweise umfassende Zertifikatsausbildungen.

Trend hin zu massgeschneiderten Weiterbildungen
Beim Bestreben, möglichst nicht nur den bereits weiterbildungsaffinen Teil eines Kollegiums anzusprechen, sondern auch nachhaltige Entwicklungen in Kollegien zu ermöglichen, kommt dem PZ.BS zudem ein Trend entgegen, der schon seit längerer Zeit zu beobachten ist. «Mit massgeschneiderten Weiterbildungen, die schulintern angeboten werden, erreichen wir seit Jahren mehr Lehrpersonen als mit den individuell buchbaren Kursen», sagt Melanie Thönen mit Blick auf die Teilnehmerzahlen der letzten Jahre. Klassische Kurse zum Erwerb fachlicher und überfachlicher Kompetenzen sind immer noch gefragt und wird es wohl immer brauchen. Ein Blick auf die Statistik (siehe Grafik unten) zeigt aber, dass rund zwei Drittel der rund 13‘000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die in den letzten Jahren eine Weiterbildung am PZ.BS besucht haben, an schulinternen Weiterbildungen und Beratungen teilgenommen haben, mit denen oft ganze Kollegien oder Teile davon angesprochen wurden.

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Der Trend geht schon lange in Richtung schulinterne Weiterbildungen. Die Statistik zeigt, dass so jedes Jahr deutlich mehr Leute angesprochen wurden als mit berufsbegleitenden Kursen. 2020 konnte ein noch stärker Einbruch dadurch abgefedert werden, dass ausfallende Kurse kurzfristig durch Online-Angebote ersetzt wurden. Quelle PZ.BS

Ein aktuelles Musterbeispiel, in welche Richtung der Trend bei der Weiterbildung geht, ist der Weiterbildungstag, den das PZ.BS dieses Jahr am 3-Tage-Block für alle Primarschulen in Basel, Bettingen und Riehen organisiert hat. Auf diesem Weg konnte allen Lehr- und Fachpersonen sowie Tagesstrukturmitarbeitenden unter dem Obertitel «Schulen in der digitalen Welt» ein Eindruck vermittelt werden, was in Sachen Digitalisierung in nächster Zeit auf sie zukommen wird.
Die Tendenz, mit massgeschneiderten Weiterbildungsangeboten in die Schulen zu gehen, ist auch in den anderen Bildungsraumkantonen zu beobachten. «Weiterbildungen müssen sich an den zum Teil sehr unterschiedlichen Bedürfnissen der Schulen und ihrer Mitarbeitenden im Bildungsraum orientieren. Hier nach dem Giesskannenprinzip das Gleiche für alle anzubieten, ist deshalb immer weniger gefragt», sagt Urs Oberthaler, der an der PH FHNW das Zentrum Professionen im Schulumfeld leitet.

Peter Wittwer

Enge Zusammenarbeit mit der PH FHNW

Die Kantone Aargau und Solothurn haben mit der Gründung der Fachhochschule Nordwestschweiz nicht nur die ganze Grund-, sondern auch die Weiterbildung der Lehrpersonen von den Seminaren an die Pädagogische Hochschule verlagert. Seither nimmt das «Institut Weiterbildung und Beratung», das seit kurzem von Adrian Baumgartner geleitet wird, für diese Kantone auch die Aufgaben wahr, für die in Basel-Stadt traditionellerweise das PZ.BS (früher ULEF) zuständig ist. Von daher erstaunt es kaum, dass die Weiterbildungen der PH FHNW mit mehreren hundert Kursen, Tagungen und anderen Weiterbildungsformaten schwerpunktmässig an den PH-Standorten Brugg-Windisch oder Solothurn angeboten werden.
Grundsätzlich sind im ganzen Weiterbildungsangebot der PH auch Lehrpersonen aus dem Kanton Basel-Stadt willkommen. Am stärksten genutzt wird dies erfahrungsgemäss von Leuten, die sich nach Abschluss der Grundausbildung und einigen Jahren Berufserfahrung für die Übernahme neuer Aufgaben qualifizieren möchten. Dafür bietet die PH FHNW eine ganze Reihe von CAS-, DAS- und MAS-Lehrgängen an. Ein grosser Teil der rund 100 Lehrpersonen aus Basel-Stadt, die sich gemäss Auskunft von Baumgartner gegenwärtig für einen dieser qualifizierenden Ausbildungsgänge eingeschrieben haben, besucht Angebote im Bereich Schulführung (CAS Schulleitung) und zur Qualifizierung als Praxislehrpersonen und Praktikumsleitende. Auch Zertifikatsprogramme und Module im Bereich Fachdidaktik (z.B. Nachqualifikation Medien und Informatik oder Gestalten) oder in pädagogischen Spezialisierungen (z.B. CAS Integrative Begabungs- und Begabtenförderung) sind von Basler Seite her gefragt.
Daneben gab es letztes Jahr etwa 70 Basler Lehrpersonen, die den Weg über den Jura nicht gescheut haben und an einem der ein- oder mehrtägigen Kurse der PH FHNW teilgenommen haben; coronabedingt etwas weniger als sonst. Nicht berücksichtigt in dieser Statistik sind allerdings die basel-städtischen Lehrpersonen, die eine der vielen Tagungen besucht haben, die von der PH FHNW zu aktuellen pädagogischen Fragestellungen organisiert und die vom PZ.BS unterstützt und aktiv beworben werden.

Neugierig und interessiert bleiben

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Eben noch Anwalt und Grossrat und nun auf der Regierungsbank: Conradin Cramer an einer der ersten Grossratssitzungen nach seiner Wahl in den Regierungsrat im Jahr 2017. Foto Michael Fritschi

Von der Anwaltskanzlei an die Spitze des Erziehungsdepartements: Wie bildet sich ein Regierungsrat weiter? Departementsvorsteher Conradin Cramer zu lebenslangem Lernen, unerwarteten Herausforderungen und seiner persönlichen Weiterbildungs-Wunschliste

Bildung hört nie auf. Für mich gehört das lebenslange Lernen zu einem gutem Leben: neugierig zu sein und Neues aufnehmen zu dürfen. Wie viel Spannendes gibt es zu entdecken! Die Kompetenz, sich auf Neues einzulassen, brauchen wir alle. Veränderungen bestimmen unser Leben – privat und beruflich, psychisch und physisch. Nur wer offen ist für Neues und bereit, sich weiterzubilden, kann den vielen Veränderungen selbstbewusst begegnen. Als Bildungsdepartement vermitteln wir unseren Schülerinnen, Schülern und Lernenden neben viel Wissen gerade auch diese Offenheit und Bildungskompetenz. Unsere Lehr- und Fachpersonen befähigen die jungen Menschen, sich Veränderungen zu stellen.

Grundkurs Epidemiologie
Bestimmte Situationen bringen besonders viele Veränderungen und Weiterbildungsbedarf. Eine heftige Herausforderung war für mich die grosse berufliche Veränderung von der Anwaltskanzlei in die Regierung und das Erziehungsdepartement. Es galt, mir neues Wissen und neue Fertigkeiten anzueignen. Dass dieser Lernprozess nie abgeschlossen ist, hat mir die Pandemie eindrücklich gezeigt. Als medizinischer Laie habe ich versucht, mich in Fragen der Epidemiologie schlau zu machen. Wer in der Pandemie Entscheide treffen und mitprägen muss, sollte epidemiologische Grundlagen verstehen. Gespräche mit Fachleuten und Lektüre waren und sind da sehr wertvoll. Entscheidungsfindung ist generell eine wichtige Fertigkeit in meiner aktuellen Tätigkeit: zu einem Thema Informationen einholen, diese von allen Seiten beleuchten und danach einen Entscheid treffen und vertreten.

Unterrichten: Eine spannende Reise
Als Mitarbeitende des Erziehungsdepartements haben wir, die Bildung weitergeben, eine besondere Verantwortung, uns selbst weiterzubilden. Und das tun die Lehr- und Fachpersonen, sei es über die Angebote des PZ.BS oder über Fachlektüre und Austausch sowie mit einer Offenheit gegenüber Veränderungen. Schauen wir uns den Wandel an, den der Lehrberuf allein in den vergangenen Jahrzehnten erfahren hat. Das lässt erahnen, wie stark sich der Beruf auch weiterhin verändern wird. Junge Leute zu unterrichten und zu begleiten bleibt eine spannende Reise.

Vorteile der traditionellen Wissensvermittlung
Eine plötzliche Veränderung kann auch den Blick dafür schärfen, was es unbedingt zu erhalten (und zu verteidigen) gilt. Mir wurde da während der Phase des Fernunterrichts einiges noch klarer. Was bedeutet Fernunterricht für Kinder, Jugendliche, Lehr- und Fachpersonen? Was ist via Fernunterricht möglich und was nicht? Die grosse Flexibilität und den Mut der Lehrerinnen und Lehrer, die den Sprung ins kalte Wasser im Frühling 2020 hervorragend gemeistert haben, haben mich und die ganze Gesellschaft beeindruckt. Unser Bildungssystem hat die Kraft, mit Veränderungen umzugehen. Klar wurde während des Fernunterrichts auch, wie unverzichtbar die traditionelle Wissensvermittlung an einem realen Lehr- und Lernort ist: Schule als Ort, wo ganz unterschiedliche Menschen über Generationen hinweg zusammenkommen und wo jede Schülerin und jeder Schüler gleich viel zählt und individuell gefördert wird.
Die Weiterbildung rund um die Digitalisierung bleibt für die Schulen und für mich hochaktuell. Entscheidend finde ich, dass digitalisierte Arbeitsprozesse eine Verbesserung mit sich bringen. Ich denke da etwa an Unterrichtsmaterialien auf dem Basler Bildungsserver oder an die Online-ICT-Guides auf der Ilias-Plattform. Digitalisierung soll den Schulalltag vereinfachen – für die Schülerinnen und Schüler bei der Wissensaufnahme und für die Lehrpersonen in der Administration und Unterrichtsgestaltung.

Modul «Entscheiden unter Pandemiebedingungen»?
Für einen Regierungsrat ist das institutionalisierte Weiterbildungsangebot nicht umfangreich, und das vermisse ich hie und da. Es gibt keine Module wie «Entscheiden unter Pandemiebedingungen». Umso wichtiger sind der kollegiale Austausch und die gegenseitige Unterstützung innerhalb der Regierung. Gewisse ganz konkrete Weiterbildungsmöglichkeiten habe ich aber auch in meinem Amt: So habe ich mit wöchentlichem Unterricht mein Schulfranzösisch aufgefrischt. Auf Französisch über Bildungsthemen zu sprechen, hilft mir nicht nur für das Sprachverständnis. Das Formulieren in einer anderen Sprache gab mir eine neue Perspektive auf das Thema – wenn einem die Formulierungen schwerer fallen, denkt man schärfer nach. Viel gelernt habe ich auch, als ich in einem Gymnasium einmal eine Lektion Staatsrecht unterrichten durfte: Learning by Teaching! Und auch eine Änderung im Privaten kann den Horizont erweitern: Seit ich Vater bin, lerne ich jeden Tag neue Dinge – einen anderen Blick auf die Welt inklusive.
Man könnte und möchte sich in so vielem weiterbilden, aber nicht alles geht auf einmal. Auf meiner Weiterbildungs-Wunschliste ganz oben steht Italienisch, damit es für mehr reicht als «una pizza prosciutto per favore». Oder auch die Auffrischung naturwissenschaftlicher Grundkenntnisse. Da habe ich, wie ich immer wieder schmerzlich feststelle, in der Schule nicht ganz alles mitbekommen. Umso wichtiger, dass es auch nach Schule, Berufsbildung und Studium Möglichkeiten zum Lernen gibt – ein Leben lang!

Conradin Cramer

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