Ein Jahr unterwegs mit Schulleitungen / Teil 5
«Das macht unseren Job noch sinnvoller»
«Eine Besonderheit unseres Standorts sind seit etlichen Jahren die Fremdsprachenklassen und die Einstiegsgruppen. Was seit dem Krieg in der Ukraine für viele Basler Schulen eine neue Erfahrung ist, gehört bei uns längst zum Schulalltag. Wir haben laufend drei Klassen, in die Kinder mit sehr wenig oder gar keinen Deutschkenntnissen einsteigen können. Aktuell haben wir circa 40 fremdsprachige Kinder. So rasch als möglich werden sie in reguläre Kurse integriert, beispielsweise in einen Werk- oder Sportkurs, je nach Background auch in einen Französisch- oder Englischkurs, bis sie komplett integriert sind.
Es gibt fast nichts eindrücklicheres als der Besuch in einer Einstiegsgruppe. Eine Geschichte werde ich nie vergessen: Ein Mädchen kam fünf Minuten zu spät. Die Lehrerin hat nicht weiter darauf reagiert. In der Pause fragte ich doch etwas verwundert die Lehrerin, ob sie eine Verspätung denn nicht anspreche? Da erzählte sie mir, dass das Mädchen alleine und zu Fuss aus Eritrea nach Basel kam. Sie sei einfach nur froh, dass das Mädchen hier an der Schule sei. Diese Story ist mir eingefahren. Und davon hören wir viele. Wir hatten afghanische Buben, die mit 16 Jahren zu uns gekommen sind. Sie flüchteten über Umwege durch den syrischen Krieg und mit dem Boot durch die Adria. An einer grossen Volksschule bekommst du das Weltgeschehen hautnah mit. Die Schule ist ein Spiegel dessen, was in der Welt abgeht. Und das macht unseren Job noch sinnvoller.
Was sich hingegen von Jahr zu Jahr zuspitzt, ist das Raumproblem. Wir können fast keine gescheiten Pensen mehr legen und brauchen auf Sek I-Niveau dringend einen neuen Standort. Von der Turnhalle bis zur Hauswirtschaftsküche – die Räume sind voll. Das Erziehungsdepartement ist dran und stellt ein neues Gebäude in Aussicht. Das wird die Standorte entlasten. Doch die Situation bleibt angespannt und die Raumnot ist damit noch längst nicht vom Tisch.»
Aufgezeichnet von Jacqueline Visentin
«Hoffentlich kommt endlich wieder mal ein normales Jahr»
«Ehrlich gesagt fühle ich mich am Ende dieses anstrengenden Schuljahres etwas ausgelaugt. Ich habe den Eindruck, auch viele Lehrpersonen sind vom ständigen Umgang mit den vielen Ungewissheiten langsam etwas müde geworden und können wie ich die Sommerferienpause gut gebrauchen. Wie immer war am Ende des Schuljahres beispielsweise mit den Maturprüfungen oder den Zeugnisklassenkonferenzen noch einiges zu erledigen. Dennoch bin ich in den letzten Wochen in Gedanken schon mindestens zur Hälfte meiner Arbeitszeit im neuen Schuljahr gewesen.
Auf diesen Sommer hin hatten wir so viele Anmeldungen, dass wir vor allem wegen eines starken Zuwachses im Schwerpunktfach «Physik und Anwendungen der Mathematik» (PAM) im nächsten Jahr eine zusätzliche erste Klasse bilden müssen. Das notwendige Personal für eine siebte neue Klasse haben wir zusammen. Wie gross diese Klassen sein müssen und wie sie zusammengesetzt sein werden, können wir aber erst in der letzten Schulwoche in Absprache mit den anderen Gymnasien entscheiden. In der ersten Ferienwoche werden wir dann den neuen Schülerinnen und Schülern kommunizieren, wer wo eingeteilt worden ist. In dieser Zeit werden wir uns in der Schulleitung zu einer Klausur zurückziehen, in der wir die Schwerpunkte planen, die wir nächstes Jahr beispielsweise bei der Schulentwicklung setzen möchten.
Ich hoffe sehr, dass wir nächstes Jahr – zum ersten Mal seit Umstellung auf ein vierjähriges Gymnasium – ein Schuljahr planmässig durchziehen können. Eines meiner Hauptziele im nächsten Jahr ist es, das ganze Kollegium bei der laufenden Umstellung auf einen digitalisierten Unterricht ins Boot zu holen. Ebenfalls ganz wichtig ist mir, dass die durch die Corona-Vorschriften lange Zeit stark eingeschränkten zwischenmenschlichen Kontakte zwischen den Lehrpersonen endlich wieder intensiviert werden können: Schule ist so viel mehr als nur Unterricht.
Dass in der zweiten Hälfte des abgelaufenen Schuljahres endlich wieder Lager und Exkursionen stattfinden konnten, war ein Schritt in diese Richtung. Zum Glück konnten die Jahrgänge, die nun zu den Maturprüfungen antraten, wenigstens eine Maturreise in der Schweiz machen. Nach den vielen Einschränkungen, die sie in den letzten Jahren beispielsweise durch die Streichung der Skilager erdulden mussten, war das sehr wichtig. Ich hoffe sehr, dass nun nach den Turbulenzen der letzten Jahre endlich wieder etwas mehr Ruhe und Normalität an unserer Schule einkehrt.»
Aufgezeichnet von Peter Wittwer
Einzigartige Frösche heissen die Kinder willkommen
«‹Ein Frosch würde zu uns passen!› Dieser Meinung waren unsere Schülerinnen und Schüler aus dem Schulparlament, als wir nach einem Erkennungszeichen für unsere Bildungslandschaft suchten. Der Name ‹QuaKiGo› steht für ‹Quartier Kids Gotthelf› und erinnert tatsächlich an das Quaken eines Froschs. Wer im August bei uns in den Kindergarten kommt, wird einen Stofffrosch erhalten – und zwar ein Unikat, das entweder von den Sechstklässlerinnen und Sechstklässlern oder aber an einem der offenen Spiel-Samstage im Frühling von weiteren Schülerinnen und Schülern oder deren Eltern eigenhändig genäht worden ist. Ein liebevolles Willkommensgeschenk, individuell wie jedes Kind.
Mithilfe der Bildungslandschaft können die Kinder Angebote im Quartier selbst entdecken: den Handballclub, die Fasnachtsclique, die mobile Jugendarbeit oder den Bio-Gemüsehändler, der für unseren ‹Markt der Möglichkeiten› ein Früchte-Quiz organisiert hat mit lauter Produkten, die in der Schweiz wachsen.
Bevor wir uns für die Bildungslandschaft entschieden haben, gab es das offene Lernatelier OLA als Vernetzungsort. Dieser reich ausgestattete Raum steht jeden Nachmittag während eineinhalb Stunden allen Kindern zur Verfügung. Hier können sie ein- und ausgehen, Lernspiele machen, experimentieren oder Unterstützung für ihre Lernprojekte erhalten.
Mit den Jahren ist ein QuaKiGo-Miteinander entstanden: Wer im Quartier für und mit Kindern arbeitet, kennt sich, tauscht sich aus, teilt Ressourcen und hilft, wo es Unterstützung braucht, beispielsweise in Form von Räumlichkeiten oder Mobiliar. Mittlerweile ist ein tragfähiges Netzwerk entstanden. Eine besondere Bedeutung hat auch der Austausch zwischen Schule und Spielgruppen sowie Tagis im Quartier. Das kommt allen zugute, ganz besonders den Kindern.
Die Bildungslandschaft QuaKiGo bauen wir seit 2019 auf. Während der vierjährigen Projektphase erhalten wir eine Anschubfinanzierung, damit konnten wir eine Projektleiterin anstellen. Etwas Sorge bereitet uns die Weiterührung der Koordinationsaufgaben, wenn diese Unterstützung im Sommer 2023 wegfällt: Gelingt es uns, die Aufgaben auf verschiedene Schultern zu verteilen? Das ist eine der grossen Herausforderungen der Bildungslandschaften. Dabei haben wir noch so viele Ideen. Ich wünschte mir zum Beispiel, kurze Filmsequenzen aller Akteure im Quartier zu erstellen, damit sich auch Eltern, die nicht so gut Deutsch können, einfach und niederschwellig über das Angebot informieren können.»
Aufgezeichnet von Valérie Rhein