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Die Kunst des Feedbacks

09.12.2020
Das gegenseitige Feedback zwischen Lehrpersonen und ihren Schülerinnen und Schülern gehört zu den wichtigsten Einflussfaktoren für den Lernerfolg. Ausgehend von dieser zentralen Erkenntnis der sogenannten Hattie-Studie, geht das Schulblatt der Frage nach, wie Feedback sein muss, damit es im Schulalltag die gewünschte Wirkung zeigt.
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Eigentlich ist es ganz banal: Feedback geschieht in jeder dialogischen Kommunikation unter Menschen und auf den verschiedensten Kanälen. Selbst wenn sich jemand auf verbaler Ebene einem Austausch verweigert, ist dies eine Art der Rückmeldung, die beim Absender wiederum eine Reaktion auslöst. Weder im Privaten noch im professionellen Kontext kommen wir in der Kommunikation ohne Feedback aus – doch ein Grossteil davon geschieht in der Regel unbewusst. Das gilt auch für das sogenannte didaktische Feedback, mit dem erfahrene Lehrpersonen den Lernprozess in Gang bringen und fördern können.

Der Bildungsforscher Claus G. Buhren bezeichnet in seinem «Handbuch Feedback in den Schulen» Feedback deshalb als «eines der wirkungsmächtigsten Instrumente der Kommunikation». Richtig eingesetztes Feedback könne zwar keine Wunder bewirken, doch es «kann Impulse, Irritationen, Frust und Freude auslösen» und – im schulischen Kontext besonders wichtig – Lernprozesse auslösen, sichtbar machen und unterstützen. Dafür gilt es allerdings, sich einige grundlegenden Regeln bewusst zu machen, wie Feedback im Unterricht sinnvoll eingesetzt werden kann. Was mit Feedback bewirkt wird, hängt nämlich in hohem Masse davon ab, wie es gegeben wird. Destruktives Feedback etwa in Form von Sätzen wie «Du hast es ja nicht einmal richtig versucht» wirkt sich nachweislich genauso wenig positiv auf einen Lernprozess aus wie übertriebenes Lob (vgl. Interview mit Philipp Schmid unten).

Eine eierlegende Wollmilchsau

In der Bildungsforschung wird deshalb der schwammige Begriff des Feedbacks, der sich im Schulkontext häufig auch mit anderen Begriffen wie Beurteilung oder Evaluation überschneidet (vgl. Seite 12), mit weiteren erklärenden Ergänzungen verbunden: Da ist beispielsweise von Spontanfeedback, förderndem Individualfeedback oder von verschiedenen Formen des didaktischen und kollegialen Feedbacks die Rede. Buhren bezeichnet deshalb das Feedback wegen der allumfassenden Erwartungen, die damit verknüpft sind, als eine Art «eierlegende Wollmilchsau».

Vor diesem Hintergrund beschränkt sich der Schwerpunkt dieser Schulblattausgabe auf zwei zentrale Aspekte der Feedbackkultur in der Schule: das Feedback zwischen Lehrpersonen und ihrer Klasse und das Feedback zwischen Lehrpersonen und der Schulleitung. Anderes, wie etwa das zweifellos wichtige Peerfeedback innerhalb einer Klasse oder das Systemfeedback innerhalb eines ganzen Schulsystems, wird dagegen nur am Rande gestreift.

Zum Feedback zwischen Lehrpersonen und Schulleitungen, das im Moment weit oben auf der Traktandenliste der KSBS steht, äussert sich der Leitende Ausschuss im KSBS-Teil (vgl. Seite ??). Auf den folgenden Seiten liegt der Fokus dagegen auf der Rolle, die das wechselseitige Feedback für den Lernprozess im Unterricht spielt. Ganz entscheidend ist in diesem Zusammenhang der Begriff «wechselseitig». Traditionellerweise wird didaktisches Feedback oder Lernfeedback nämlich primär als eine Rückmeldung der Lehrperson zu einer erbrachten Leistung wahrgenommen. Spätestens seit John Hatties Metaanalyse dürfte aber unbestritten sein, dass das Feedback, das Schülerinnen und Schüler geben, für den Erfolg genauso ausschlaggebend ist wie das Feedback der Lehrperson. Dabei geht es nicht nur um didaktisches Feedback, sondern auch die Art und Weise, wie über kommunikatives Feedback ein lernförderliches Klima geschaffen werden kann (vgl. Seite 32)

Feedback geben und empfangen können

Die Kunst des Feedbacks besteht darin, Feedback sowohl geben wie auch empfangen zu können – und danach auch bereit zu sein, das Empfangene ernst zu nehmen und seine (vielleicht auch unangenehmen) Konsequenzen daraus zu ziehen. Denn ohne diese Bereitschaft wird das Einholen von Feedback zu einer reinen Alibiübung. Oder wie es John Hattie in seiner weltberühmt gewordenen Megastudie «Visible Learning» formuliert hat: «Wenn Lehrpersonen danach fragen oder zumindest offen sind für Feedback von Schülern (…), dann können Lehren und Lernen aufeinander abgestimmt werden und wirkungsvoll sein.»  Peter Wittwer

Im Unterricht braucht es «eine kräftige Portion Feedback»

Der Erziehungswissenschafter Philipp Schmid von der PH FHNW beschäftigt sich seit Jahren mit Feedback im Unterricht. Lehrpersonen praktizieren es täglich – Feedback im Unterricht. Doch in der Praxis läuft vieles in diesem Prozess intuitiv und unbewusst. Philipp Schmid von der PH FHNW befasst sich wissenschaftlich mit der Frage, wie Feedback erfolgen muss, damit es zum gewünschten Lernerfolg führt. In zahlreichen Kursen und Tagungen, die auch das PZ.BS in seinem Programm hat, gibt er seine Erkenntnisse an Lehrpersonen weiter.

Basler Schulblatt: Was erfahren angehende Lehrpersonen in der Ausbildung zum Thema Feedback im Unterricht?

Philipp Schmid: Die Erfahrung, dass Feedback wichtig ist für das Lernen, machen die meisten Lehrpersonen wohl schon während ihrer Grundausbildung. Doch das Bedürfnis, sich systematisch mit den theoretischen Grundlagen des Feedbacks im Unterricht auseinanderzusetzen, kommt meist erst mit einer gewissen Berufserfahrung. In unserem Weiterbildungsprogramm an der PH FHNW steht das Thema deshalb weit oben auf der Liste. Neben individuellen Kursen finden Lehrpersonen bei uns auch Lehrfilme, die praktische Tipps für den Unterricht zeigen. Wenn sich ganze Schulen vertieft mit Feedback und der Frage beschäftigen möchten, wie Lernen sichtbar gemacht werden kann, bietet sich dafür auch unser schulinternes Weiterbildungsprogramm «Luuise» an. Das Kürzel «Luuise» setzt sich zusammen aus den Anfangsbuchstaben von «Lehrpersonen unterrichten und untersuchen integriert, sichtbar und effektiv» und bezeichnet ein Verfahren für die Unterrichtsentwicklung, das mittlerweile schon gegen 1000 Lehrpersonen an 60 Schulen genutzt haben.

Beim Stichwort «Lernen sichtbar machen» kommt einem sofort die Hattie-Studie in den Sinn, an deren Übersetzung ins Deutsche Sie beteiligt waren. Was kann man dort punkto Feedback im Unterricht lernen?

Sehr viel, denn John Hattie hat sich schon lange vor seiner berühmt gewordenen Megastudie und auch nachher intensiv mit dem Thema Feedback beschäftigt. Wer wissen möchte, was es für erfolgreiches Lernen braucht, kommt heute kaum um das Feedbackmodell von Hattie herum. Denn, um ihn selbst zu zitieren: «Die meisten Programme und Methoden, die am besten funktionieren, basieren auf einer kräftigen Portion Feedback.»

Was braucht es, damit Feedback im Unterricht funktioniert?

Die vielen Faktoren, die dafür eine Rolle spielen, lassen sich natürlich nicht in zwei, drei Sätzen zusammenfassen. Ein wichtiger Grundsatz ist aber sicher der, dass Lehrpersonen unbedingt darauf achten sollten, formatives und summatives Feedback nicht miteinander zu vermischen. Eine wichtige Grundlage für erfolgreiches Feedback ist es zudem, in einer Lerngruppe ein lernförderliches Klima zu schaffen.

Was heisst «lernförderliches Klima» konkret und wieso ist das so wichtig?

Hattie plädiert nicht nur für eine klare Trennung von formativem Lernfeedback und summativem Bilanzieren etwa durch Noten. Ebenso wichtig ist es, das Lernfeedback klar von Lob zu trennen, damit es seine Wirkung entfalten kann. Über persönlichen Austausch, der dem Lernfeedback vorausgehen sollte, wird im Unterricht gegenseitiges Vertrauen aufgebaut. Wichtig in diesem Zusammenhang ist ein fehlerverzeihendes Klima. Das ist die Basis dafür, dass sich im Unterricht nicht nur diejenigen freiwillig melden, die sowieso schon alles wissen. In den Aufbau eines guten Klassenklimas zu investieren, lohnt sich auf jeden Fall, denn dies ist eine der Grundvoraussetzungen für erfolgreiches Lernen.

Lehrpersonen sollten also bewusst versuchen, ein lernförderliches Klima zu schaffen und Lernfeedback klar abgrenzen von netten Worten, die vor allem das Selbstwertgefühl fördern?.

Ja, auch im Unterricht begegnen sich ja Menschen, die Feedback auch neben dem Unterricht als zentrales Mittel der Verständigung nutzen. Dieses Feedback kann situativ auf vielfältige Weise erfolgen, beispielsweise bei der Begrüssung am Anfang der Stunde oder als lobende Bemerkungen zur Person, was sich dann positiv auf die Motivation im anschliessenden Lernprozess auswirken kann. Das Lernfeedback, das zum Handwerk einer Lehrperson gehört, sollte sich demgegenüber so weit wie möglich auf sachliche Rückmeldungen zum eigentlichen Lernprozess beschränken und weder mit positivem Lob noch mit Kritik am Gegenüber vermischt werden. Mit dieser Trennung – die gewiss anspruchsvoll ist – kann ein Mehrwert fürs Lernen erreicht werden.  Interview Yvonne Reck Schöni und Peter Wittwer

Philipp Schmid

Philipp Schmid ist Dozent für Unterrichtsentwicklung an der Pädagogischen Hochschule der FHNW. Am Institut für Weiterbildung und Beratung widmet er sich speziell den Themen des datengestützten Feedbacks im Unterricht. In dieser Funktion ist er auch zuständig für Weiterbildung und Beratung zu den Checks und Mindsteps. Schmid gehört ausserdem zum Team «Lehren und Lernen sichtbar machen» von Wolfgang Beywl, der die Hattie-Studie durch eine Übersetzung im deutschsprachigen Raum bekannt gemacht hat. Darauf aufbauend hat dieses Team das Weiterbildungsprogramm «Luuise» entwickelt.

Feed up, feed back, feed forward

Spätestens seit Veröffentlichung seines Bestsellers «Visible Learning» kommt man im deutschsprachigen Raum bei einer Diskussion über Feedback im Unterricht kaum an John Hattie vorbei. Dabei wird gern übersehen, dass der Neuseeländer sich schon lange vor Veröffentlichung seiner «Metastudie über Metastudien» intensiv mit dem Thema Feedback auseinandergesetzt hat, das er als Kern für lernförderlichen Unterricht sieht.

Wenn Hattie von Feedback spricht, geht es nicht um Verhalten, sondern ausschliesslich um Wissenszuwachs und Kompetenzerwerb im kognitiven Bereich. Feedback, wie er es versteht, sollte also immer lernrelevante Informationen enthalten. Beim Geben von Feedback geht es also nicht darum, ein Kind beispielsweise dafür zu loben, dass es sich wirklich Mühe gegeben hat. Das persönliche Lob hat für den Aufbau eines lernförderlichen Klimas seine Berechtigung und Notwendigkeit. Es sollte jedoch nicht mit dem auf den Lernprozess bezogenen Feedback vermischt werden, weil das die Lernwirkung abschwächen kann (vgl. Interview Schmid).

Feedback, wie es Hattie definiert, ist in drei Wirkungsebenen gegliedert, denen er als Etikette die Schlagwörter feed up, feed back und feed forward verpasst.

  • Auf der ersten Ebene (feed up) geht es darum, die Lernintentionen, die Ziele und die Kriterien zu definieren, anhand deren am Schluss die Zielerreichung gemessen wird. Dieser erste Schritt schafft Transparenz und Klarheit – nicht nur für Lernende, sondern auch für die Lehrperson.
  • Die zweite Ebene (feed back) widmet sich der Frage «Wie geht es voran?» und lenkt die Aufmerksamkeit auf den Weg, auf dem etwas gelernt worden ist. Durch Aufzeigen von alternativen Lernwegen oder dem Klären von Lernstrategien wird bewusst gemacht, wie der Lernprozess gelaufen ist.
  • Auf der dritten Ebene (feed forward) geht es schliesslich um Selbstregulation. Das heisst: Via Feedback gilt es, den Lernenden die Fähigkeit zu vermitteln, ihr Lernen zu beobachten, einzuschätzen und dadurch Selbstvertrauen zu gewinnen, eine nächste Aufgabe ebenfalls selbstständig lösen zu können. Auch in diesem Schritt ist meist Unterstützung durch die Lehrperson notwendig.

Diese drei Lernebenen sind gemäss Hattie eng miteinander verknüpft. Die Kunst der Lehrperson besteht darin, ausgehend vom aktuellen Lernstand eine Aufgabe klar zu formulieren, um dann via Feedback Problemlösestrategien zu vermitteln, die im Idealfall via Selbstregulation zum Anpacken nächster Herausforderungen befähigen. Oder, wie es Hattie letztlich auf einen einfachen Nenner bringt: «Ein guter Lehrer muss seinen eigenen Unterricht durch die Augen der Lernenden sehen.»

Peter Wittwer

Methoden zum Einholen von Schülerfeedback gibt's wie Sand am Meer

Im Unterricht formatives Lernfeedback zu geben und umgekehrt die Haltung der Schülerinnen und Schüler einzuholen, braucht einiges Know-how – und viel Zeit. Deshalb sind standardisierte Formate gefragt, die rasch Aufschluss darüber geben, wo eine Klasse im Lernprozess steht. Für jede Schulstufe gibt es erprobte Methoden, wie Schülerinnen und Schüler ihr Lernen sichtbar machen können.

Eine Note unter den Test zu schreiben ist das eine. Den Lernprozess mit formativem Lernfeedback zu begleiten, ist schon etwas anspruchsvoller. Und besonders anspruchsvoll ist das Einholen eines möglichst aussagekräftigen Feedbacks von den Schülerinnen und Schülern. Aus der unüberschaubaren Fülle von Methoden, die dafür entwickelt worden sind, sollen im Folgenden ­ ohne Anspruch auf Vollständigkeit ­ ein paar herausgegriffen werden, die sich in der Praxis bewährt haben.

Fragebogen

Beim Einholen von Schülerfeedback sind Fragebogen wohl die bekanntesten Hilfsmittel. Der Einsatz von Fragebogen, sei es auf Papier oder digital, eignet sich vor allem für Kinder und Jugendliche mit fortgeschrittenen Sprachkompetenzen. Allerdings können sich Fragebogen auf skalierte Antwortmöglichkeiten beschränken. Diese ermöglichen es auch jüngeren Kindern, nonverbal mit Smileys, Punkten oder Ähnlichem auf einer Skala auszudrücken, was gut bei ihnen angekommen ist und was weniger.

Jedem Einsatz eines Fragebogens vorangehen muss die Frage: Was will ich von der Klasse und jedem Einzelnen wissen? Aus dieser Überlegung ergibt sich, wie ein Fragebogen aufgebaut sein muss. Wenn primär eine Bewertung bestimmter Aspekte des Unterrichts gefragt ist, eignet sich ein skalierter Fragebogen: Auf einer Skala von «stimmt genau» bis «trifft gar nicht zu» können sich so alle zu Aussagen wie etwa «Die Klasse war heute konzentriert, ich konnte ungestört lernen» positionieren. Wenn das Feedback schon konkrete Anhaltspunkte liefern soll, was man besser machen könnte, sollte man eher zu einem Bogen mit offenen Fragestellungen wie «Das Thema wäre spannender, wenn…» greifen. Wichtig ist, dass der Fragebogen insgesamt nicht zu lang ist und dadurch nicht zu viel Zeit vom eigentlichen Unterricht wegfällt. Ergebnis und Fazit aus den Rückmeldungen sollten auf jeden Fall mit der Klasse besprochen werden.

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Ein-Punkt-Methode, Zielscheiben, Fadenkreuz etc.

Wer Feedback nicht via Fragebogen einholen (und nachher auswerten) möchte, findet mit wenigen Klicks im Internet eine schier unüberschaubare Flut von Ideen, wie Schülerinnen und Schüler ihre Einschätzung des Lernfortschritts direkt visualisieren können. Die simpelste ist sicher die sogenannte Ein-Punkt-Methode. Bei dieser markiert jedes Kind mit einem Punkt auf einer zweidimensionalen Achse, wo es steht. So bekommt eine Lehrperson schnell ein Bild, ob eine Klasse beispielsweise ein neues Thema eher einfach oder schwierig fand, oder ob der Unterricht als eher spannend oder langweilig eingeschätzt wird. Dieses einfache Modell lässt sich mit Fadenkreuzen oder Zielscheiben so ausweiten, dass mehrere Aspekte eines Themas gleichzeitig sichtbar werden und die verschiedenen Bereiche miteinander verglichen werden können. Um beim obigen Beispiel zu bleiben, kann eine Klasse so zum Ausdruck bringen, dass sie ein Thema zwar spannend, aber auch schwierig fand. Gemeinsam kann dann diskutiert werden, wie man etwas leichter machen könnte, ohne dass es für viele langweilig wird.

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Die fünf-Finger-Methode

Diese verbreitete Methode hat den Vorteil, dass sie nichts weiter als einen (abwaschbaren) Stift und die eigenen Hände braucht. Bei der Fünf-Finger-Methode malen alle direkt auf die eigene Hand oder zeichnen die Konturen ihrer Hand auf ein Blatt Papier. Jeder Finger steht dabei für die Antwort auf eine Feedback-Frage: Auf dem Daumen etwa wird geschrieben, was super war, auf dem Zeigfinger was gelernt wurde, und so weiter bis zum kleinen Finger, auf dem sinnigerweise notiert wird, was zu kurz kam. Die Fünf-Finger-Feedback-Methode bietet eine gute Alternative zu Feedback-Fragebögen, da sie allen erlaubt, anschauliche Kritik im negativen und positiven Sinn zu äussern. Auf Grund des geringen Platzes sind alle gezwungen, sich kurz und knapp zu fassen.

Die Feedback-Ampel

Sehr beliebt ist gerade bei jüngeren Kindern der Einsatz von Feedback-Ampeln. Meist mit (in den Ampelfarben gefärbten) Kärtchen zeigt jedes Kind an, ob es gut im Unterricht mitkommt (grün), einiges nicht versteht (gelb) oder gar Mühe hat zu folgen (rot). Diese Methode setzt allerdings ein gutes Lernklima voraus, das es allen erlaubt, sich ehrlich zu äussern. Lehrpersonen erhalten über diese Methode frühzeitig Rückmeldung, wenn die Gefahr besteht, dass der Unterricht inhaltlich überfrachtet ist und ein Grossteil beim angeschlagenen Tempo nicht mehr mitkommt. Peter Wittwer

Weitere Denkanstösse, wie sich mit Bechern, Plakaten, Wollfäden, Gefühlsbarometern und anderen originellen Hilfsmitteln Schülerfeedback einholen lässt, sind beispielsweise auf den Websites edkimo.com, lehrermarktplatz.de oder meinunterricht.de zu finden 

«Um Feedback gebeten zu werden, zeigt Wertschätzung»

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Feedback ist auch und gerade in Corona-Zeiten wichtig: Petra Stadler und Jonas Lüthy beim Austausch auf Distanz im Gymnasium Kirschgarten. Foto: Grischa Schwank

Dass sich Lehrpersonen mit ihren Schülerinnen und Schülern direkt austauschen, ist an den Gymnasien eine Selbstverständlichkeit. Sehr intensiv geschieht dies beispielsweise beim Entstehen einer Maturarbeit oder im Rahmen von Lernberichtsgesprächen. Im Unterrichtsalltag sei es hingegen oft schwierig, dem didaktischen Feedback genügend Raum zu geben, sagt die Gymnasiallehrerin Petra Stadler. Der Fernunterricht habe aber gezeigt, was sich auch dafür für neue Möglichkeiten mit der Digitalisierung auftun. Jonas Lüthy würde es aus Schülersicht sehr begrüssen, wenn – losgelöst vom Notendruck – mehr direktes Feedback im Unterricht Platz hätte.

Die Phase, während der nur Fernunterricht stattfinden konnte, hat an den Gymnasien in Sachen Feedback einiges bewegt. Darin sind sich die Lehrerin Petra Stadler und der Gymnasiast Jonas Lüthy, die sich dem Schulblatt für ein Gespräch über die Feedbackkultur am Gymnasium Kirschgarten zur Verfügung gestellt haben, einig. Sowohl im Kollegium wie auch unter den Schülerinnen und Schülern ist eine Diskussion in Gang gekommen, was beim Austausch über die Bildschirme gut funktioniert hat und was eher nicht.

Feedback ohne Notendruck

«Ich habe es sehr geschätzt, via Bildschirm unmittelbar Feedback zu dem geben zu können, was von den Schülerinnen und Schülern hereinkam», erinnert sich Petra Stadler. So etwas habe im Normalunterricht oft nicht den Platz, obschon sie sich das eigentlich wünschen würde, denn: «Feedback gibt beiden Seiten eine Genugtuung und stärkt das Selbstbewusstsein.» Aus diesem Grund versucht sie nun, diese Erfahrungen aus dem Distance-Teaching vermehrt auch in ihren Präsenzunterricht einzubauen: Die klassische Lehrerfloskel «Gibt es noch offene Fragen?» kurz vor einer Pause bringe meist wenig. «Nach meinen Erfahrungen ist es besser, wenn ich eine Klasse mit dem Auftrag entlasse, auf die nächste Stunde eine Frage zu dem vorzubereiten, was noch nicht klar geworden ist. Jede Art von Ergebnissicherung ist auch eine Art von Feedback – deshalb schaue ich, dass ich so von den Schülerinnen kontinuierlich Rückmeldungen erhalte, wie etwas bei ihnen angekommen ist. Darauf kann ich dann reagieren, ohne dass gleich eine Note gesetzt werden muss.»

Ehrliches Feedback ist riskant

Gerade der letzte Punkt, dass eine Rückmeldung losgelöst vom Benotungsprozess gefragt ist, kommt bei den Schülerinnen und Schülern gut an. Jonas Lüthy ist überzeugt: «Um Feedback gebeten zu werden, zeigt Wertschätzung. Wenn man als Schüler nicht immer nur Feedback entgegennehmen muss, sondern auch geben kann, lernt man enorm viel.» Im Fernunterricht habe sich der Unterschied zwischen den Lehrpersonen, die schon vorher an Schülerrückmeldungen interessiert waren und diese auch ernst genommen haben, und solchen, die mehrheitlich dozieren, noch verstärkt. Insgesamt findet Jonas Lüthy aber, dass am Gymnasium Kirschgarten nicht nur im Unterricht, sondern generell viel Wert auf eine gute Feedbackkultur gelegt wird: «Bei der Umsetzung der Corona-Schutzmassnahmen an der Schule etwa konnten wir via Schülerrat unsere Anliegen einbringen und an einer nachträglichen Online-Umfrage zum Fernunterricht hat immerhin die Hälfte der Schülerinnen und Schüler freiwillig teilgenommen.»

Schwieriger als via solche anonymisierten Rückmeldungen sei es allerdings, sich in einem Individualfeedback kritisch gegenüber einer Lehrperson zu äussern: «Dass es hier ein Abhängigkeitsverhältnis gibt, lässt sich nie ganz ausblenden. Ehrliches Feedback ist daher aus Schülersicht immer mit dem Risiko verbunden, dafür indirekt doch noch abgestraft zu werden.»

Feedback muss auch im Kollegium funktionieren

Dieser Gefahr, formatives Feedback mit summativer Beurteilung zu vermischen, müsse sich eine Lehrperson immer bewusst sein, räumt Petra Stadler ein. Sie überlegt sich deshalb immer wieder genau, in welcher Form sie zu etwas Feedback geben oder entgegennehmen soll. Wichtig ist aus ihrer Sicht, dass unter den Lehrpersonen ein Austausch über die Feedback-Spielregeln stattfindet. Im Kollegium sollte beispielsweise abgesprochen werden, wie die Fragebögen aussehen sollen, über die schriftliches Feedback eingeholt wird: «Wenn sich etwas bewährt hat, stelle ich mein Material gerne auch anderen zu Verfügung. Ich sage dann aber immer, dass ich mindestens einen Vorschlag erwarte, wie man das noch besser machen könnte.»

Was unterscheidet Feedback, Evaluation und Beurteilung?

«Zurückfüttern» meint gerade im Bildungsbereich nicht nur das, was gemeinhin mit dem Begriff Feedback bezeichnet wird. Auch der ganze Bereich der Evaluation (wie jüngst an vielen Schulen zum Fernunterricht) und natürlich das weite Feld der Beurteilung und Benotung sind eine Art von Feedback, das im schulischen Kontext eine wichtige Rolle spielt. Wenn eine Lehrperson in einem Test am Schluss einer Lerneinheit erhebt, was in den Köpfen hängen geblieben ist, und dann unter jeden dieser Tests eine Note setzt, ist das eine Form von Rückmeldung, die für die Schullaufbahn der Betroffenen einschneidende Folgen haben kann. Umgekehrt gibt es für eine Lehrperson fast keine ernüchterndere Art von Feedback, als wenn sie beim Korrigieren merken muss, dass ihre vermeintlich wohldurchdachte Vermittlung eines Themas bei den Adressaten nicht angekommen ist.

Dieses Feedback in Form einer (summativen) Beurteilung ist allerdings nur ein abschliessender Teil von dem, was John Hattie als einen der wirksamsten Faktoren für den Lernerfolg bezeichnet hat. Ihm vorangehen muss eine Phase «formativen» Feedbacks, das nicht nur rückblickend in Zahlen oder Worten ausdrückt, ob und wie gut ein Lernziel erreicht worden ist. Beim formativen Feedback geht es vielmehr darum herauszufinden, wie jemand lernt (oder was ihn daran hindert) und dann prozessbegleitend Wissenslücken zu überwinden. Lernprozessbegleitendes Feedback hat also nicht primär die Qualität des Outputs im Auge. Das unterscheidet es von summativen Rückmeldungen, die meist kaum lernrelevante Informationen enthalten. In Abgrenzung zur Evaluation, die ebenfalls ergebnis- und nicht prozessorientiert ist, ist formatives Feedback also eher beschreibend als bewertend. Es sagt weniger darüber aus, wo jemand steht, sondern vielmehr, wie jemand besser werden kann.

Ganz entscheidend für die Abgrenzung von (formativem) Feedback zu Beurteilung und Evaluation ist, dass Feedback nie als «Einbahnstrasse», sondern definitionsgemäss in beide Richtungen funktionieren sollte. Nicht nur John Hattie, auch der deutsche Pädagoge Andreas Helmke streicht deshalb in seinem Standardwerk «Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität» die Bedeutung des Einholens von «Schülerfeedback» hervor. Der damit verbundene Aufwand macht für Helmke allerdings nur Sinn, «wenn nicht nur Daten erhoben werden, sondern über die Ergebnisse und mögliche Konsequenzen daraus gesprochen wird». Grundvoraussetzung sei, dass eine Lehrperson echtes Interesse an den Rückmeldungen und die Überzeugung aufbringt. Und dass sie auf Grundlage der Schülerfeedbacks den Unterricht auch verbessern will.          Peter Wittwer

Merksätze zum «guten» Feedback

«Es braucht zwei, damit einer sich kennenlernt»: Diese allgemeingültige Erkenntnis des englischen Sozialwissenschafters Jeremy Batteson zum Wesen von uns Menschen bringt gut zum Ausdruck, um was es letztlich bei Feedback geht. Konstruktives Feedback zu geben ist eine Kunst, die auch erfahrenen Lehrpersonen immer wieder einiges abverlangt und – auch das muss einkalkuliert werden – nicht immer zum gewünschten Resultat führt. Damit Letzteres möglichst vermieden werden kann, hat der ehemalige Schulleiter und Schulbuchverfasser Felix E. Emminger Merksätze formuliert, die für kommunikatives Feedback zwischen Menschen generell gelten und auch im Schulalltag zu einem lernförderlichen Klima beitragen können.

«Gut» ist Feedback dann, wenn es… 

….immer mit positiven Aspekten startet.
Entweder positive und kritische Rückmeldungen oder gar keine – und die positiven immer zuerst, da diese dem Empfänger helfen, Kritisches zu akzeptieren und zu verdauen.

…erbeten und nicht aufgezwungen wird.
Ein ehrliches Feedback erfolgt nur im gegenseitigen Einverständnis.

… im Bewusstsein der eigenen Subjektivität erteilt wird.
Aussagen einer Person über das Verhalten einer anderen Person sind nie objektive Wahrheiten.

… Aussagen zu einem Verhalten macht, das veränderbar ist.
Feststellungen einer Person über eine andere dürfen nur das situative Verhalten des Beobachteten und nicht verallgemeinernd den Charakter beschreiben.

…sich auf Stärken konzentriert, ohne Schwächen zu ignorieren.
Einseitigkeit führt immer zu Verzerrungen.

…so formuliert ist, dass jeder für sich selbst verantwortlich bleibt.
Rückmeldungen sind Angebote zur Selbstprüfung. Alle entscheiden selbst, was sie aufnehmen, annehmen und gegebenenfalls verändern wollen – und was nicht!

Zum Weiterlesen

Wer sich intensiver mit dem Lernfeedback auseinandersetzen möchte, braucht nicht lange zu suchen. Als kleine Orientierungshilfe im Dschungel der Publikationen und Online-Plattformen zu diesem Thema hat die Schulblattredaktion eine kleine Auswahl der verwendeten Quellen zusammengestellt. Wo vorhanden, ist bei den Büchern am Schluss auch die Signatur in der Bibliothek des PZ.BS angegeben. Dort finden Lehrpersonen gerade zur Hattie-Studie und zur praktischen Anwendung von Feedback im Unterricht auch noch zahlreiche weitere, hier nicht erwähnte Publikationen mit Tipps für den Unterricht.

Literatur

Claus G. Buhren (Hrsg). Handbuch Feedback in der Schule, 2015, ISBN 978-3-407-29403-6 (Signatur PZ.BS DK_1040_87)

Praxisorientiertes Handbuch zur Rolle und den Anwendungsmöglichkeiten von Feedback in Schulen

John Hattie, Visible Learning for Teachers, 2012. (Deutsche Übersetzung: Lernen sichtbar machen für Lehrpersonen, 2015, ISBN 978-3-8340-1300-2., Signatur DF_2600_21)

Auf Lehrpersonen ausgerichtete Erweiterung der Metaanalyse von über 5000 pädagogischen Einzelstudien aus dem Jahr 2008, in der das Feedback breiten Raum einnimmt

Andreas Helmke, Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität, 2008, ISBN 978-3-7800-1009-4 (Signatur DP_1700_9)

Überblick über Methoden von «Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts», in dem auch der Nutzen von (Schüler-)Feedback erörtert wird

Monika Wilkening, Praxisbuch Feedback im Unterricht, 2016, ISBN 978-3-407-29469-2 (Signatur DP_2160_10)

Ideen und Vorschläge zur Umsetzung des aktuellen Standes der Forschung zu Feedback und Beurteilung mit Erörterung der Vor- und Nachteile summativer und formativer Methoden

Marcel Hegetschweiler, Wenn Luuise Nüsse knackt. Bildung Schweiz, 2020 (6), 33 bis 36.

Kompakte Vorstellung des Luuise-Programms der PH FHNW im Magazin des LCH

Websites

www.iqesonline.net/feedback

Mit «IQES online» (IQES steht für «Instrumente für die Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation an Schulen») stellt der Kanton Basel-Stadt den Schulen kostenlos webbasierte Instrumente (unter anderem) zum Unterrichtsfeedback zur Verfügung. Auf IQES online lässt sich auch eine Anleitung herunterladen, wie sich Schülerfeedback in acht Schritten systematisch einholen lässt.

https://edkimo.com/de/schuelerfeedback

Auch «Edkimo» ist eine digitale Kommunikationsplattform, auf der sich (unter vielem anderem) auch eine nützliche Einführung in die Prinzipien des Schülerfeedbacks finden lässt.

https://www.visible-learning.org

Von John Hattie unabhängige Website mit frei verfügbaren Online-Informationen zur Hattie-Studie, die den Einstieg ins Thema erleichtert und beispielsweise die Wirksamkeit von insgesamt über 250 Einflussfaktoren aufs Lernen in einer Rangliste auflistet.

https://www.lernensichtbarmachen.ch/

Von der PH FHNW mitgetragene Website, die zur Feedback-Thematik aktuelle Forschungsergebnisse von der frühen Förderung bis zur Hochschule präsentiert.

https://tube.switch.ch/channels/774ab007?order=alphabetical&view=list

Sammlung von Lernvideos zu Lehren und Lernen sichtbarmachen.