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Auf Veränderungen reagieren können

13.09.2021
Von der Anwaltskanzlei an die Spitze des Erziehungsdepartements: Wie bildet sich ein Regierungsrat weiter? Und welche Bedeutung hat Weiterbildung für den Bildungsdirektor? Departementsvorsteher Conradin Cramer zu lebenslangem Lernen, unerwarteten Herausforderungen und seiner persönlichen Weiterbildungs-Wunschliste.
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Bildung hört nie auf. Für mich gehört das lebenslange Lernen zu einem gutem Leben: neugierig zu sein und Neues aufnehmen zu dürfen. Wie viel Spannendes gibt es zu entdecken! Die Kompetenz, sich auf Neues einzulassen, brauchen wir alle. Veränderungen bestimmen unser Leben – privat und beruflich, psychisch und physisch. Nur wer offen ist für Neues und bereit, sich weiterzubilden, kann den vielen Veränderungen selbstbewusst begegnen. Als Bildungsdepartement vermitteln wir unseren Schülerinnen, Schülern und Lernenden neben viel Wissen gerade auch diese Offenheit und Bildungskompetenz. Unsere Lehr- und Fachpersonen befähigen die jungen Menschen, sich Veränderungen zu stellen.

Grundkurs Epidemiologie
Bestimmte Situationen bringen besonders viele Veränderungen und Weiterbildungsbedarf. Eine heftige Herausforderung war für mich die grosse berufliche Veränderung von der Anwaltskanzlei in die Regierung und das Erziehungsdepartement. Es galt, mir neues Wissen und neue Fertigkeiten anzueignen. Dass dieser Lernprozess nie abgeschlossen ist, hat mir die Pandemie eindrücklich gezeigt. Als medizinischer Laie habe ich versucht, mich in Fragen der Epidemiologie schlau zu machen. Wer in der Pandemie Entscheide treffen und mitprägen muss, sollte epidemiologische Grundlagen verstehen. Gespräche mit Fachleuten und Lektüre waren und sind da sehr wertvoll. Entscheidungsfindung ist generell eine wichtige Fertigkeit in meiner aktuellen Tätigkeit: zu einem Thema Informationen einholen, diese von allen Seiten beleuchten und danach einen Entscheid treffen und vertreten.

Unterrichten: Eine spannende Reise
Als Mitarbeitende des Erziehungsdepartements haben wir, die Bildung weitergeben, eine besondere Verantwortung, uns selbst weiterzubilden. Und das tun die Lehr- und Fachpersonen, sei es über die Angebote des PZ.BS oder über Fachlektüre und Austausch sowie mit einer Offenheit gegenüber Veränderungen. Schauen wir uns den Wandel an, den der Lehrberuf allein in den vergangenen Jahrzehnten erfahren hat. Das lässt erahnen, wie stark sich der Beruf auch weiterhin verändern wird. Junge Leute zu unterrichten und zu begleiten bleibt eine spannende Reise.

Vorteile der traditionellen Wissensvermittlung
Eine plötzliche Veränderung kann auch den Blick dafür schärfen, was es unbedingt zu erhalten (und zu verteidigen) gilt. Mir wurde da während der Phase des Fernunterrichts einiges noch klarer. Was bedeutet Fernunterricht für Kinder, Jugendliche, Lehr- und Fachpersonen? Was ist via Fernunterricht möglich und was nicht? Die grosse Flexibilität und den Mut der Lehrerinnen und Lehrer, die den Sprung ins kalte Wasser im Frühling 2020 hervorragend gemeistert haben, haben mich und die ganze Gesellschaft beeindruckt. Unser Bildungssystem hat die Kraft, mit Veränderungen umzugehen. Klar wurde während des Fernunterrichts auch, wie unverzichtbar die traditionelle Wissensvermittlung an einem realen Lehr- und Lernort ist: Schule als Ort, wo ganz unterschiedliche Menschen über Generationen hinweg zusammenkommen und wo jede Schülerin und jeder Schüler gleich viel zählt und individuell gefördert wird.
Die Weiterbildung rund um die Digitalisierung bleibt für die Schulen und für mich hochaktuell. Entscheidend finde ich, dass digitalisierte Arbeitsprozesse eine Verbesserung mit sich bringen. Ich denke da etwa an Unterrichtsmaterialien auf dem Basler Bildungsserver oder an die Online-ICT-Guides auf der Ilias-Plattform. Digitalisierung soll den Schulalltag vereinfachen – für die Schülerinnen und Schüler bei der Wissensaufnahme und für die Lehrpersonen in der Administration und Unterrichtsgestaltung.

Modul «Entscheiden unter Pandemiebedingungen»?
Für einen Regierungsrat ist das institutionalisierte Weiterbildungsangebot nicht umfangreich, und das vermisse ich hie und da. Es gibt keine Module wie «Entscheiden unter Pandemiebedingungen». Umso wichtiger sind der kollegiale Austausch und die gegenseitige Unterstützung innerhalb der Regierung. Gewisse ganz konkrete Weiterbildungsmöglichkeiten habe ich aber auch in meinem Amt: So habe ich mit wöchentlichem Unterricht mein Schulfranzösisch aufgefrischt. Auf Französisch über Bildungsthemen zu sprechen, hilft mir nicht nur für das Sprachverständnis. Das Formulieren in einer anderen Sprache gab mir eine neue Perspektive auf das Thema – wenn einem die Formulierungen schwerer fallen, denkt man schärfer nach. Viel gelernt habe ich auch, als ich in einem Gymnasium einmal eine Lektion Staatsrecht unterrichten durfte: Learning by Teaching! Und auch eine Änderung im Privaten kann den Horizont erweitern: Seit ich Vater bin, lerne ich jeden Tag neue Dinge – einen anderen Blick auf die Welt inklusive.
Man könnte und möchte sich in so vielem weiterbilden, aber nicht alles geht auf einmal. Auf meiner Weiterbildungs-Wunschliste ganz oben steht Italienisch, damit es für mehr reicht als «una pizza prosciutto per favore». Oder auch die Auffrischung naturwissenschaftlicher Grundkenntnisse. Da habe ich, wie ich immer wieder schmerzlich feststelle, in der Schule nicht ganz alles mitbekommen. Umso wichtiger, dass es auch nach Schule, Berufsbildung und Studium Möglichkeiten zum Lernen gibt – ein Leben lang!

Conradin Cramer, Departementsvorsteher Erziehungsdepartement Basel-Stadt

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