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Das Jugendbücherschiff feiert Geburtstag

09.12.2020
1981 lag zum ersten Mal ein Schiff voller Bücher an der Schifflände. Jugendbuchausstellungen, die Vorläufer des Bücherschiffs an Land, gab es sogar seit 1935. Doch nach welchen Kriterien wurden die Bücher ausgewählt? Was hat sich seit der Pionierzeit in den 80er-Jahren verändert? Und was passiert mit dem Bücherschiff 2021?
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Fast jeder Mensch unter fünfzig, der in Basel zur Schule gegangen ist, war in seiner Schulzeit auf dem Bücherschiff. In einen Sitzsack gefläzt, auf dem Boden oder an einem Tisch sitzen Kinder und Erwachsene, vertiefen sich in Bücher und bemerken kaum das Schaukeln der MS Christoph Merian, wenn nebenbei ein Tanker vorbeifährt. Prominent an der Schifflände verankert, ist das Schiff aus dem Lesewinter kaum wegzudenken. Dabei war der Umzug aufs Schiff vor 39 Jahren nur eine Notlösung.

Jugendliche vor «verderblicher Schundliteratur» schützen

Bereits seit 1935 fanden in Basel Jugendbuchausstellungen statt, die Orientierung auf dem Büchermarkt bieten sollten. Organisiert wurden sie von der Basler Jugendschriftenkommission (JSK), einer Kommission des Erziehungsdepartements, die aus Lehrerinnen und Lehrern verschiedener Schulstufen zusammengesetzt war und deren Nachfolgerin heute die «AG Basler Schulbibliotheken» ist. Seit 1973 ist auch das Team der Bibliothek PZ.BS mit an Bord, die damals noch «Pädagogische Dokumentationsstelle» hiess. Die Basler JSK verfolgte – wie ihre Pendants in anderen Kantonen – ein klares Ziel: «Das Engagement für die Jugend und ihre Bücher», wie es in einem Bericht von 1985 heisst. Wie dieses Engagement aussehen sollte, hat sich über die Jahre allerdings stark gewandelt.

So stand zu Beginn der «Schutz der Jugend vor den verderblichen Einflüssen der minderwertigen Hefte und Romane» im Vordergrund. Durch das Empfehlen und Verbreiten «wertvoller» Bücher sei die jugendgefährdende Schundliteratur am wirkungsvollsten zu bekämpfen. So schaffte es etwa Astrid Lindgrens «Pippi Langstrumpf» nicht in die Ausstellung von 1954, denn: «Mit der Originalität ist es nicht weit her und hinter die psychologische Grundhaltung setzen wir ein grosses Fragezeichen», wie einer Rezension der Basler JSK zu entnehmen ist. Dem Buch fehle «der ursprüngliche, kindliche gesunde Humor» und es sei daher entschieden abzulehnen. In den 60er Jahren begann sich diese Haltung zu ändern und das Fördern von mündigen Leserinnen und Lesern wurde zunehmend wichtiger. Die Fantasie anzuregen und Unterhaltung zu bieten wurden zu erwünschten Absichten.

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Mit viel Freiwilligenarbeit aufs Schiff

Nach zahlreichen Ausstellungen im Münstersaal des Bischofshofes oder im Kartäusersaal des Waisenhauses stand das Organisationsteam 1981 vor einem Problem, denn die bisherigen Orte waren nicht mehr verfügbar. So war der Umzug aufs Schiff, damals die «Stadt Basel», eine Notlösung: Die Basler Personenschifffahrtsgesellschaft hatte in der Vorweihnachtszeit Kapazitäten und bot den dringend benötigten Platz. Doch auch das Schiff stiess bald an seine Grenzen. Beatrice Baumgartner, pensionierte Bibliothekarin und lange Jahre Teil des Bücherschiffteams der Bibliothek PZ.BS, erinnert sich: «Es war voll. Wir hatten so viele Kinder an Bord, weil sich die Klassen nicht anmelden mussten. Das Gewusel war wirklich eindrücklich.» Erst in den 90er Jahren wurde die Anmeldung obligatorisch und die Zahl der Anwesenden begrenzt. Mit dem Umzug auf die MS Christoph Merian gab es dann auch mehr Platz.

Die ersten Jahre auf dem Schiff waren geprägt von enorm viel Freiwilligenarbeit, denn ein Budget jenseits der Schiffsmiete war nicht vorgesehen. Baumgartner erinnert sich, wie sie an der Buchmesse in Frankfurt Verlage abklapperten, um kostenlose Rezensionsexemplare für die Ausstellung zu erhalten. Viele freiwillige Helferinnen und Helfer waren engagiert: «Eine Werklehrerin hat die Titel der Regale gemalt, mein Vater hat die Eingangskontrolle gemacht und ich habe nach Feierabend mit dem Velo die Plakate in die Buchhandlungen gebracht», berichtet Baumgartner. Dass das Erziehungsdepartement Basel-Stadt Ende der 90er Jahre die Kosten für das Bücherschiff fix ins Budget der Bibliothek aufnahm, war ein grosser Meilenstein.

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«Wir machen das Schiff für die Kinder» – und bieten eine Alternative für 2021

Besonders in Erinnerung blieben Baumgartner die Veranstaltungen mit Autorinnen und Autoren: Franz Hohler, Frederica de Cesco oder Rafik Shami – sie alle waren schon auf dem Bücherschiff. Und natürlich die Kinder: «Für sie machen wir ja das Schiff. Die Kleinen, die haben sich irgendwo hingesetzt, ein Buch aufgeschlagen und dann waren sie weg. Wenn andere über sie drüber geklettert sind, haben sie kaum aufgeschaut. Das Schiff allein ist schon ein Erlebnis. Es gab auch solche, die haben eine halbe Stunde zum Fester raus und den Schiffen zugeschaut, aber das war egal, das Bücherschiff war auch für sie ein positives Erlebnis.» Das hat sich über all die Jahre nicht geändert.

Und nun: Corona. Dieses Jahr ist so mancher runde Geburtstag dem Virus zum Opfer gefallen. 2021 hätte das Bücherschiff zum vierzigsten Mal an der Schifflände angelegt – dieses Jubiläum verschieben wir auf 2022. Damit Kinder trotzdem in neuen Büchern stöbern können, machen kleine Schiffe der Bücherschiffflotte auf Wunsch Halt in Basler Schulhäusern und bringen ausgewählte Neuerscheinungen vorbei. Auch die Veranstaltungen werden nicht einfach gestrichen: Im Sommer organisiert die Bibliothek PZ.BS eine Bücherschiff-Lesewoche. Das Einzige, was wir 2021 nicht bieten können, ist das Schaukeln auf dem Rhein. Doch das holen wir 2022 nach!

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