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«Ausserschulisches Lernen ist in jedem Fach möglich»

14.09.2022
Basel-Stadt ist Mitträger der Online-Plattform «Lernen im Bildungsraum Nordwestschweiz» der PH FHNW zu ausserschulischen Lernorten. Die Angebote des Kantons werden von Kathrin von Bidder Spichty auf deren Aktualität überprüft. Im Interview spricht die Mitarbeiterin der Fachstelle Pädagogik über den hohen Wert von ausserschulischen Lernorten.
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Kathrin von Bidder Spichty: «Ich selbst habe noch immer viele gute, konkrete Erinnerungen an ausserschulische Lernorte.» Foto: Grischa Schwank

Wegen Corona konnten in den letzten beiden Schuljahren Exkursionen, Workshops und andere ausserschulische Aktivitäten gar nicht oder nur eingeschränkt stattfinden. Was ging da verloren?

Kathrin von Bidder Spichty: Zu kurz kam durch die Einschränkungen wegen Corona ganz eindeutig der Bereich, den ich als erlebnisorientiertes Lernen bezeichnen würde. Es ist etwas ganz Anderes, etwas in der Schule theoretisch erklärt zu bekommen, als vor Ort mitzuerleben, wie und wieso etwas funktioniert. Gerade in unserem Kanton gibt es viele Kindern, die in ihrer Freizeit kaum einmal in ein Museum, ein Theater oder auch in die Natur gehen. Die Nutzung von ausserschulischen Angeboten ist da eine wertvolle Bereicherung: Ausflüge an ausserschulische Lernorte haben erwiesenermassen nicht nur einen nachhaltigen Lerneffekt, sondern leisten auch einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Chancengerechtigkeit.

Wie würden Sie den pädagogischen Wert von ausserschulischen Lernorten in zwei bis drei Sätzen beschreiben? Was bringt das den Schülerinnen und Schülern?

Alles, was wir erleben, bleibt besser und länger hängen, als wenn wir etwas nur vom Hörensagen kennen. Zahlreiche Studien zeigen, dass unsere Aufmerksamkeit und Konzentration immer mehr abnehmen. Das Lernen über alle Sinne ist da eine gute Möglichkeit, Gegensteuer zu geben. An ausserschulischen Lernorten ist das Lernen über alle Sinne in der Regel besser möglich als im Klassenzimmer. Wer mit seiner Klasse rausgeht, tut nicht nur etwas zur Verbesserung der Chancengerechtigkeit, sondern hilft erfahrungsgemäss auch den Schülerinnen und Schülern, die im normalen Unterricht Mühe haben, sich längere Zeit auf etwas zu konzentrieren.

Können Sie sich als ehemalige Primarlehrerin an ein Beispiel erinnern, in dem das besonders gut funktioniert hat? Oder anders gefragt: Was war Ihr eindrücklichstes Erlebnis im Zusammenhang mit einem ausserschulischen Lernort?

Ich habe noch immer viele gute, konkrete Erinnerungen an ausserschulische Lernorte. Ich unterrichtete in Riehen. Im Fach Heimatkunde verband ich die Themen oft mit ausserschulischem Lernen. Zum Beispiel mit einem Besuch der «Eisernen Hand». Das ist ein Landstück in Riehen, das zur Schweiz gehört, aber nach Deutschland ragt. Hier kann man den Schülerinnen und Schülern Themen wie die «Landesgrenzen», den «Zweiten Weltkrieg» verknüpft mit dem Thema «Wald» anschaulich näherbringen.

Und als Schülerin?

Ich bin ein Spezialfall, da ich nicht in der Schweiz in die Primarschule gegangen bin, sondern im Ausland. In meiner Kindheit war ich mit meinen Eltern und meinen Geschwistern in verschiedenen Ländern unterwegs. Aber auch hier habe ich noch immer viele gute Erinnerungen an ausserschulische Lernorte. Ich hatte mehrere prägende Erlebnisse: Als ich zum Beispiel in Saudi-Arabien mit meiner Klasse einen Ausflug in die Wüste unternahm, besuchten wir ein «Wadi», das ist ein ausgetrocknetes Flussbett. Wir besuchten dort kleine Dörfer und lernten die typischen einheimischen Tiere kennen. Wir schnorchelten auch gemeinsam im Roten Meer, um Fische zu beobachten. Alles schulische Erlebnisse, bei denen ich viel gelernt und erlebt habe und an die ich mich heute noch erinnere. Ich bin sicher, viele erwachsene Personen kennen solche Erlebnisse auch noch aus ihrer Schulzeit.

Nun sind Sie in Basel-Stadt die Ansprechperson für die Online-Plattform «Lernen im Bildungsraum Nordwestschweiz» der PH FHNW zu den ausserschulischen Lernorten. Was ist genau Ihre Aufgabe?

Meine Aufgabe bei der Betreuung der Plattform gliedert sich in zwei Hauptbereiche: Zum einen sorge ich dafür, dass die Einträge der anbietenden Institutionen aus unserem Kanton immer aktuell sind. Periodisch kontrolliere ich, ob die Kontaktdaten und die Beschreibungen noch stimmen. Leider musste ich zuletzt feststellen, dass einige Anbieter wegen Corona ihr Angebot reduzieren oder ganz einstellen mussten. Meine zweite Aufgabe besteht darin, nach möglichen neuen Angeboten Ausschau zu halten und diese der PH FHNW zu melden.

Für die Aufnahme in die Plattform gibt es verschiedene Kriterien. So dürfen die Angebote unter anderem nicht kommerziell sein und sie müssen einen Bezug zum Lehrplan haben. Wie werden diese Kriterien eigentlich kontrolliert?

Für die Kontrolle von neuen Angeboten, die aus den Kantonen gemeldet werden, bin nicht ich, sondern ist die PH FHNW als Betreiberin der Plattform zuständig. Ein wichtiger Grundsatz besteht darin, dass sich mit den Schulangeboten niemand bereichern darf und dass eine Kompetenzorientierung im Sinn des Lehrplan 21 da ist. Auch ein Lernlabor der Roche oder eine Einführung in den Curling-Sport haben da im Gegensatz etwa zu einem Ausflug in einen Freizeitpark, bei dem der Funfaktor eindeutig im Vordergrund steht, durchaus Platz.

Was unterscheidet einen ausserschulischen Lernort von einem Skilager oder einem Wandertag, an dem Kinder ja gerade, was die überfachlichen Kompetenzen angeht, auch sehr viel ausserhalb des Schulhauses lernen?

Der Lerninhalt! Beim Besuch eines ausserschulischen Lernorts steht der fachliche Lernzuwachs im Vordergrund. Bei Ausflügen wie zum Beispiel einem Ganztägigen geht es dagegen in erster Linie um andere Dinge wie soziale Aspekte und Unterhaltung. Aber auch solche Ausflüge sind natürlich wichtig für die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler. Die Online-Plattform «Lernen im Bildungsraum Nordwestschweiz» der PH FHNW, über die wir hier diskutieren, gibt keine solchen blossen Ausflugstipps. Es geht dabei immer um Orte ausserhalb des Schulhauses, an denen auf anschauliche Art und Weise fachliche Lerninhalte vermittelt werden.

Die Plattform der PH FHNW gibt es seit 2019. Welche Bilanz ziehen Sie?

Eine positive. Das Angebot wird an den Schulen im Bildungsraum Nordwestschweiz genutzt. An den Schulen in Basel-Stadt könnte dies meines Erachtens allerdings noch etwas verstärkt der Fall sein. Das hängt auch damit zusammen, dass die Plattform der PH FHNW in den anderen Nordwestschweizer Kantonen bisher intensiver beworben worden ist als bei uns. In den vergangenen zwei Jahren war die Organisation von ausserschulischen Lernorten wegen der Corona-Pandemie leider erschwert oder gar unmöglich. Jetzt kann und soll man aber wieder nach draussen gehen.

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Auf dem Portal «Lernen im Bildungsraum Nordwestschweiz» finden Lehrpersonen auch Beratung zur Nutzung ausserschulischer Lernorte.

Exkursionen und Lernveranstaltungen ausserhalb des Schulhauses gibt es ja schon lange –  hat sich das im Vergleich zu früher verändert und, wenn ja, in welche Richtung?

Da hat sich in den letzten Jahren, quantitativ wie qualitativ, sehr viel getan: In der Kulturstadt Basel hat mittlerweile bald jedes Museum ein spezielles Schulangebot. Nicht nur bei den Museen, sondern auch bei anderen Anbietern stelle ich eine zunehmende Professionalisierung fest. Dies lässt sich auch daran ablesen, dass die Zahl von Holangeboten mit pädagogisch geschulten Fachleuten kontinuierlich wächst. Ebenfalls auffällig ist, dass neben bewährten Angeboten wie Führungen, Workshops oder Arbeitsblättern vermehrt digitale Formate für Schulen entwickelt werden.

Die Angebote zu den ausserschulischen Lernorten sind auffallend NMG-lastig (Fachbereich «Natur, Mensch, Gesellschaft»). Wie erklären Sie sich das und was unternehmen Sie, um eine breitere Angebotspalette zu erreichen?

Da haben Sie leider recht. Die heutige NMG-Lastigkeit ist sicher historisch bedingt und hat viel mit dem Fach Kulturkunde zu tun. Hier lag es auch schon früher auf der Hand, dass man im Unterricht nach draussen ging und mit der Klasse ausserschulische Lernorte besucht. Bei anderen Fächern wie zum Beispiel Mathematik oder Deutsch ist das natürlich etwas schwieriger. Hier ist Kreativität gefragt. Der Handlungsbedarf ist heute aber erkannt, und ich stelle eine Entwicklung fest.

Wie beurteilen Sie das aktuelle Angebot? Was fehlt noch?

Das Angebot ist heute sehr reichhaltig und gut. Auch Fremdsprachen wie Französisch und Englisch lernen die Schülerinnen und Schüler noch besser, wenn die Klasse hin und wieder nach draussen geht und die Sprache spricht. Auch hier sind in den vergangenen Jahren erfreulicherweise neue Angebote erschaffen worden. Ausserschulisches Lernen ist in jedem Fachbereich möglich. Hier ist wie gesagt Kreativität gefragt. Und wir sind darauf angewiesen, dass die Institutionen und Lehrpersonen uns Angebote melden, die noch nicht auf der Plattform aufgeschaltet sind, um sie möglichst vielen zugänglich zu machen. Die Angebote können am besten direkt und unbürokratisch über die Plattform selbst gemeldet werden. Der Vorschlag wird dann gemäss den Kriterien geprüft und aufgenommen, sofern die Vorgaben erfüllt sind.

Das Angebot an ausserschulischen Lernorten ist heute riesig. Alleine auf der Plattform der PH FHNW sind rund 150 Angebote zu finden. Ein regelrechter Dschungel. Haben Sie konkrete Tipps, wie Lehrpersonen vorgehen sollten, um das für sie passende Angebot zu finden?

Natürlich kann man die Plattform von A bis Z durchstöbern und sich von der Fülle der Angebote inspirieren lassen. Wesentlich effizienter ist es allerdings, das Angebot durch die Eingabe von Filtern zu den Fachbereichen, den Zyklen oder zum Format bei der Suche auf das einzugrenzen, was einem für einen Ausflug oder auch ein Holangebot mit einer Klasse vorschwebt. Auf diesem Weg kommt man rasch zu einer Auswahl praktischer Tipps. Jeder dieser Vorschläge enthält nicht nur Hinweise, was unter welchen Konditionen gebucht werden kann. Via einen Link kommt man häufig auch noch zu weiterführenden Informationen, die man für die Vor- und Nachbereitung eines Ausfluges in den Dschungel der attraktiven Lernangebote in der Region nutzen kann.

Interview Valentin Kressler und Peter Wittwer

Online-Plattform «Lernen im Bildungsraum Nordwestschweiz» der PH FHNW:
www.lernorte-nordwestschweiz.ch

Kathrin von Bidder Spichty

Kathrin von Bidder Spichty (50) ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Fachstelle Pädagogik der Volksschulen im Erziehungsdepartement Basel-Stadt. Sie ist dort die Ansprechperson des Kantons Basel-Stadt für die Online-Plattform «Lernen im Bildungsraum Nordwestschweiz» der PH FHNW zu den ausserschulischen Lernorten und Themenverantwortliche für den Lehrplan 21 und die Schullaufbahnverordnung. Zuvor war sie 24 Jahre lang als Primarlehrerin in Riehen tätig.

 

Raus aus dem Schulhaus – Lernen mit Gewinn

Die Corona-Pandemie hat bekanntlich auch an den Schulen ihre Spuren hinterlassen und alle Beteiligten vor grosse Herausforderungen gestellt. In den vergangenen zweieinhalb Jahren war beispielsweise der Besuch von ausserschulischen Lernorten erschwert oder gar nicht möglich. Seit dem Beginn des neuen Schuljahres ist dies nun wieder verstärkt möglich. Deshalb hat die Schulblatt-Redaktion dieses Thema als Schwerpunkt dieser Ausgabe gewählt.

Das Angebot an ausserschulischen Lernorten ist mittlerweile riesig und gleicht einem Dschungel. Orientierungshilfe bietet den Lehrpersonen seit Mai 2019 die benutzerfreundliche Online-Plattform «Lernen im Bildungsraum Nordwestschweiz» der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz (PH FHNW). Via einen Lehrplan- und Stufenbezug können Lehrerinnen und Lehrer hier Lernorte innerhalb der vier Kantone des Bildungsraums auswählen und sich über Lernziele, didaktische Materialien und Anreise informieren.

Die PH FHNW hat diese Online-Plattform im Auftrag des Bildungsraums Nordwestschweiz entwickelt. Die Liste der Angebote wird laufend ergänzt. Dass die ausserschulischen Lernorte zunehmend an Bedeutung gewinnen, lässt sich auch daran ablesen, dass die PH FHNW einen CAS «Ausserschulische Lernorte» anbietet.

Ausserschulisches Lernen bereichert den Unterricht – darüber besteht in pädagogischen Fachkreisen heute Konsens. «Unterricht an vielfältigen ausserschulischen Lernorten ermöglicht unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit allen Schulklassen Primärerfahrungen, verbunden mit emotionalen, affektiven und kognitiven Effekten»: Das schrieb Peter Keller, Dozent an der Professur Didaktik des Sachunterrichts am Institut Primarstufe der PH FHNW, im Februar 2022 auf der «Bildungsseite» der PH FHNW. Die Unterrichtsforschung habe die Wichtigkeit authentischer Aufgabenstellungen für den Lernerfolg nachgewiesen, ist dort zu lesen. Eine Direktbegegnung in der realen Umwelt fordere zu Fragen heraus. Das führe zu hoher kognitiver Aktivierung, wenn dafür die nötige Zeit und Musse für Beobachtungen eingeräumt wird: «Wer sich etwa mit Kindern darauf einlässt, einmal auf einem Bauernhof Kühe zu erkunden, wird mit einer Fülle von Fragen und Vermutungen konfrontiert, die im Schulzimmer kaum zu gewinnen wären. Diesen Fragen und Hypothesen kann oft nur direkt vor Ort nachgegangen werden.»

Um die enorme Angebotsvielfalt an ausserschulischen Lernorten in der Region Basel zu zeigen und den Lehrpersonen (wieder) Lust auf einen Besuch eines solchen ausserschulischen Lernortes zu machen, stellt die Schulblatt-Redaktion sechs Angebote näher vor – von Augusta Raurica über den Grossen Rat bis hin zum Hafenmuseum. Also Lehrpersonen: Nichts wie raus aus dem Schulhaus!

Valentin Kressler

Online-Plattform «Lernen im Bildungsraum Nordwestschweiz» der PH FHNW:
www.lernorte-nordwestschweiz.ch

Augusta Raurica: Der Klassiker

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Über eine App erfahren Schulklassen, wie die römischen Gewerbehäuser seinerzeit zerstört worden sind. Foto: zVg

Wenn es um ausserschulische Lernorte in unserer Region geht, steht ein Ausflug in die Römerstadt Augusta Raurica nicht erst seit gestern ganz oben auf der Hitliste.

Auch in der Römerstadt Augusta Raurica ziehe die Zahl der Basler Schulklassen, die meist für einen «Ganztägigen» in das Freilichtmuseum kommen, nach einem coronabedingten Einbruch wieder deutlich an, sagt Aline Cousin, die in Augusta Raurica für die pädagogische Vermittlung zuständig ist: «Schwerpunktmässig sind es vor allem 4. bis 6. Klassen der Primarschulen, die zu uns kommen. Wir haben aber auch  viele Angebote für alle anderen Schulstufen, die rege genutzt werden.» Die fast zwei Dutzend Führungen, Workshops und andere Schulangebote lassen sich auf der Römerstadt-Webseite mit Hilfe von Filtern durchstöbern.

Da sich Schulklassen nur anmelden müssen, wenn sie ein betreutes Angebot buchen oder das Museum besuchen wollen, lässt sich der Anteil der Basler Schulklassen an der Gesamtbesucherzahl schwer beziffern. Insbesondere bei Dauerbrennern wie dem Workshop zum originalrömischen Brotbacken oder dem Besuch des Römerhauses ist die Nachfrage auch aus Basler Schulen nach Aline Cousins Einschätzung aber nach wie vor hoch. Für das Vermittlungsteam ist das kein Grund, sich auf bewährte «Selbstläufer» zu verlassen. Im Gegenteil: Wenn dies Ergebnisse aus den Grabungen erlauben, werden kontinuierlich neue Vermittlungsangebote entwickelt. Ein Musterbeispiel ist der Workshop «Kult und Kräuter – Mixturen für das Jenseits». Dieser ist auf Basis der Erkenntnisse zur spätrömischen Begräbniskultur entstanden, die durch die Entdeckung eines Bleisarges in Augst gewonnen wurden. In diesem Workshop stellt die Klasse Salben her, die auf den Analysen von sogenannten Balsamarien (Glasfläschchen) basieren, die der älteren Frau auf ihrem Weg ins Jenseits mitgegeben wurden.

Die beiden Hauptanliegen der Vermittlung in Augusta Raurica lassen sich so gut unter einen Hut bringen: Die unmittelbare Begegnung mit der römischen Kultur und die Vorstellung der modernen Methoden der Archäologie. Auch bei der Vermittlung nutzt Augusta Raurica die neuen Möglichkeiten, die sich durch die Digitalisierung bieten. So können Schulklassen seit kurzem mit einer Augmented-Reality-App die römischen Gewerbehäuser erkunden. Angeleitet durch ein Hörspiel, in dem die letzten Stunden vor dem Abbrennen der Gebäude um das Jahr 300 erzählt werden, können die Schülerinnen und Schüler interaktiv in dieses Kapitel der Stadtgeschichte eintauchen. Die App kann gratis auf (mitgebrachten oder vor Ort zu mietenden) Tabletts oder Handys heruntergeladen werden. Um Terminkollisionen im Haus zu verhindern, ist hier eine Anmeldung über ein Online-Ticket notwendig. 

Peter Wittwer 

www.augustaraurica.ch/erleben/schulen

«bird’s eye jazz club»: Der Musikalische

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Vom Klassenzimmer in einen richtigen Jazzclub. Foto: zVg

In der Schule lernt man: 1 + 1 = 2 und das Präteritum von «gehen» ist «ging». Auch Jazzmusik könnte man Kindern auf diese Weise erklären. Doch viel bleibender ist die direkte Berührung, mit allen Sinnen.

In vier Dauerworkshops lernen Kinder und Jugendliche der Primar- und Sekundarschule direkt von den Musikerinnen und Musikern. Immer wieder kommt es vor, dass auch Gastmusikerinnen und -musiker aus aller Welt dozieren. Die Workshops sind an das Alter, den Wissensstand und an die Interessen der Klasse angepasst. Es geht um Perkussion, um Rhythmus, um Improvisation oder um die unterschiedlichen Instrumente des Jazz.

 «Wenn Kinder mit allen Sinnen erleben, wirkt das oft tief und nachhaltig», sagt Milena Tebiri vom «bird’s eye». «Schulklassen spüren in unseren Workshops die Engagiertheit und Hingabe der Musikerinnen und Musiker – das hinterlässt einen bleibenden Eindruck.» Die Klasse wechselt vom Klassenzimmer in einen richtigen Jazzclub mit einer einmaligen Atmosphäre. Im Workshop kann es dann vorkommen, dass einige der Kinder plötzlich mit den Profis auf der Bühne stehen und mitspielen. Besonders wenn Kinder bereits ein Instrument beherrschen, kann das durchaus berücksichtigt werden. Um den Kurs optimal an die Bedürfnisse und an das Vorwissen anzupassen, können Lehrpersonen sich im Vorfeld mit den Kursleitenden austauschen.

Den einen Jazz gibt es nicht. Das ist weder Free Jazz noch Louis Armstrong. Jazz findet man auch im Hip-Hop oder in der elektronischen Musik. Diese Brücke zur Popkultur schlagen die Profis in den Workshops. Anfangs können sich viele Kinder noch nichts darunter vorstellen – kurz darauf klatschen sie schon einen Beat und erfahren, dass der Schlagzeuger ihrer Lieblings-Hip-Hop-Band ein Jazzmusiker ist. Weiter lernen die Klassen, dass Jazz viel mit Freiheit zu tun hat. Das bedeutet nicht, dass einfach alle machen, was sie wollen. Es basiert auf Formen und Strukturen, und alle hören aufeinander.

Jacqueline Visentin

www.birdseye.ch

«Staatskunde live!» im Grossen Rat: Der Beliebte

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Menschen wie du und ich: Schülerinnen und Schüler treffen Politikerinnen und Politiker im Grossratssaal. Foto: zVg

Das Schulangebot des Basler Kantonsparlaments erfreut sich ungebrochen grosser Beliebtheit: Mehrere hundert Schülerinnen und Schüler ab 15 Jahren besuchen jährlich den Grossen Rat – und erhalten so einen Einblick in die Politik.

Ich weiss nicht mehr, wann genau und in welchem Zusammenhang ich den Basler Grossen Rat zum ersten Mal besucht habe. Es dürfte irgendwann als Schüler im Gymnasium gewesen sein. Ich mag mich aber noch gut daran erinnern, dass mich das Gewusel im altehrwürdigen Saal damals beeindruckt hat. Offenbar so sehr, dass ich später als Redaktor bei der Basler Zeitung und der Schweiz am Sonntag regelmässig und gerne über das Geschehen im Parlament berichtete.

Heute zählt das Angebot «Staatskunde live!» des Grossen Rates zu den beliebtesten ausserschulischen Lernorten der Region Basel. Im Rekordjahr 2019 statteten über 1000 Schülerinnen und Schüler dem Parlament einen Besuch ab. Und selbst in den Corona-Jahren 2020 (rund 800 Besuche) und 2021 (rund 500 Besuche) erfreute sich das Angebot grosser Beliebtheit – mit Maske und Abstand selbstverständlich. Das Ziel sei, rund 1000 Schülerinnen und Schüler pro Jahr zu empfangen, sagt Eva Gschwind, die Beauftragte für Öffentlichkeitsarbeit des Grossen Rates, die das Angebot koordiniert. «Staatskunde live!» richtet sich hauptsächlich an Schülerinnen und Schüler aus dem Kanton Basel-Stadt ab 15 Jahren sowie Lernende in Basel-Stadt. Für die Jüngeren gibt es ein zusätzliches Angebot des Kinderbüros Basel.

«Staatskunde live!» bietet den Schulen vier verschiedene Module an: vom Besuch einer Grossratssitzung auf der Tribüne bis hin zu einer Polit-Debatte mit Ratsmitgliedern. Deutlich am beliebtesten sind gemäss Gschwind Besuche ausserhalb der Grossratstage. Neben einer Einführung ins Thema Politik in Basel-Stadt führen hier die Schulklassen ein Gespräch mit einem oder mehreren Ratsmitgliedern und machen eine Rathausführung. «Wir wissen, dass Politik nicht einfach ist», sagt Gschwind. «Wir möchten deshalb bewusst einen Beitrag leisten zur politischen Bildung, indem wir die Politik vor Ort und anschaulich mit Menschen zeigen.» Auch Schülerinnen und Schüler, die sich noch nicht für Politik interessieren würden, seien oftmals rasch begeistert vom Rathaus und dem Kontakt mit den Ratsmitgliedern. «Sie realisieren, dass das Haus lebt und die Parlamentarierinnen und Parlamentarier normale Menschen sind wie sie selbst.»

Für Aussenstehende scheinen die Abläufe im Grossen Rat oftmals kompliziert. «Staatskunde live!» möchte den Schülerinnen und Schülern zeigen, dass in der Politik auch Alltagsthemen behandelt werden, die sie selbst direkt betreffen – vom Klimaschutz über bezahlbares Wohnen oder Stadtgestaltung bis hin zum Grillieren am Rhein. Eine Schulklasse habe sich auch einmal mit zwei Ratsmitgliedern über das Thema WhatsApp-Chats an den Grossratssitzungen ausgetauscht, erinnert sich Gschwind. «Das stiess auf ein besonders grosses Interesse und machte die Politik menschlich.»

Valentin Kressler

www.grosserrat.bs.ch/besuch/schulangebote

Stadtführungen «KonsumGLOBAL»: Der Ökologische

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Die Tomaten aus Italien, das Tierfutter aus Brasilien, hergestellt in Liechtenstein: Schülerinnen und Schüler erkunden und visualisieren die Herkunft eines Hörnlifertigsalats. Foto: zVg

 «Zeig mir deinen Abfall und ich zeige dir, wer du bist» lautet der Titel einer von drei Basler «KonsumGLOBAL»-Stadtführungen des Ökozentrums. Junge Männer und Frauen führen Schülerinnen und Schüler ab der 1. Klasse der Sekundarschule an Orte des Geschehens: Dorthin, wo konsumiert wird und Abfall entsteht. Und sie fragen: Wieso ist Abfall klimaschädlich?

Ein sonniger Herbsttag über Mittag auf dem Petersplatz: Die Bänke auf dem lauschigen Plätzchen unter den Bäumen sind fast alle besetzt, und wer darauf Platz genommen hat, widmet sich dem mitgebrachten Zmittag. Eine junge Frau geniesst die letzten Bissen ihres Hörnlisalats und hält nach dem nächsten Abfallkübel Ausschau, um den Plastikbehälter zu entsorgen: 325 Gramm Hörnlifertigsalat in 16 Gramm Plastik verpackt.

So genau weiss sie das vermutlich nicht. Aber die Schülerinnen und Schüler, die sich gleich nebenan beim Kollegiengebäude versammelt haben und konzentriert farbige Nadeln auf einer Weltkarte platzieren, haben das soeben erfahren. Und sind überrascht, als wie international sich dieses kleine bisschen Salat erweist. Die Tomate ist in Italien gewachsen, das Kraftfutter für die Schweine, aus denen der Schinken hergestellt wurde, in Brasilien, und zubereitet wurde die Fertigmahlzeit in Liechtenstein. Mit jeder Nadel wird das globale Netz visualisiert und fassbarer.

«In unseren ‹KonsumGLOBAL›-Rundgängen vermitteln wir den Schülerinnen und Schülern Hintergrundinformationen zu den Zusammenhängen von Konsum, Ressourcennutzung und Klimawandel sowie alternative Handlungsoptionen», sagt Projektleiterin Alisha Stöcklin vom Ökozentrum in Langenbruck. Wie wirkt sich mein Konsumverhalten aus und was kann ich hier in Basel tun, wenn ich daran etwas ändern möchte? So lauten Fragen, an denen sich die 90-minütigen Führungen orientieren. Wobei es sich nicht um klassische Führungen handelt. Vielmehr erhalten die Jugendlichen inmitten des Stadtzentrums, wo sie häufig auch konsumierend unterwegs sind, Raum für einen Dialog auf Augenhöhe. Ihr Gegenüber, die Stadtführerin oder der Stadtführer, ist ebenfalls jung und engagiert sich für nachhaltigen Konsum. «Sie holen die Teilnehmenden in ihrer Lebenswelt ab und binden sie in die Diskussion ein», so Alisha Stöcklin. «Und sie führen sie ein in die Komplexität dieser Themen und regen dabei zu eigenständigem, kritischem Denken an.»

Die «KonsumGLOBAL»-Stadtführungen gibt es zu den Themen Abfall/Foodwaste, Lebensmittelproduktion und -konsumation sowie Non-Food-Konsum. Stets dabei sind Bezüge zu Klima und Globalisierung sowie zu individuellen lokalen Handlungsspielräumen. Für eine Vor- oder Nachbereitung im Unterricht gibt es Materialien, die sich am Lehrplan 21 bzw. am ABU-Lehrplan der Berufsfachschulen orientieren. Ein Kontingent an Führungen kann von Basler Schulklassen dank der Unterstützung des Amts für Umwelt und Energie kostenlos gebucht werden. Nach dessen Ausschöpfung beträgt der Preis für Gruppen bis 20 Personen zwischen 100 und 300 Franken.

Valérie Rhein

www.konsumglobal.ch

Das «Sauriermuseum Bellach»: Der Vorsintflutliche

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Compsognathus ist ein fleischfressender Zwergdinosaurier.

Velociraptor, Stegosaurus oder Tyrannosaurus rex. Die Urzeitechsen üben eine magische Faszination auf Kinder aus. So erging es auch Stefan Frieden, dem Gründer dieses Museums, als er seinen ersten Dino bekam. Von da an hörte er nicht mehr auf zu sammeln. Das Resultat: ein spannendes Sauriermuseum.

Der Eingang zu diesem Ort ist nicht so pompös, wie man sich das von anderen Museen gewohnt ist. Das ehrenamtlich geführte Museum befindet sich im Industriegebiet von Bellach unweit von Solothurn im gleichen Gebäude wie eine Zoohandlung. Über eine Treppe geht es hinunter in einen Keller. Dann heisst es Abtauchen in die Welt der Dinos.  

Der Rundgang durch die liebevoll gestaltete Ausstellung nimmt die Schülerinnen und Schüler auf eine audiovisuelle Reise zurück in die Urzeit mit. Faszinierend sind die riesigen Skelette und Fossilien. Auch ein kleines Kino ist vorhanden. Die Schulkinder können auf spielerische Weise das Gewicht eines Apatosaurus eruieren, die Speisekarte der Dinos studieren oder ein einzigartiges T-Rex-Baby-Skelett entdecken. Auf rund 350 Quadratmetern können Dino-Fans all das bestaunen, was schon vor Millionen vor Jahren ausgestorben ist, und vertiefen, was zuvor im Unterricht behandelt wurde.

Per QR-Code können an verschiedenen Orten Teile der abenteuerlichen Geschichte von Phips gehört werden. Phips ist ein Junge, der die Kinder auf eine Entdeckungsreise in die Dinowelt mitnimmt und ihnen viele Infos mitgibt. Wenige wissen, dass die Dinosaurier die Vorfahren unserer Vögel sind. Ein pädagogisches Abenteuer mit fantasievollen Geschichten und Liedern. Ein Lernspass für Kinder.

Wer dann noch Lust auf mehr hat, kann hunderte von Saurierspuren im Steinbruch von Lommiswil besichtigen. Dort gibt es eine Aussichtsplattform mit Informationstafeln. Die steile Felswand wurde als Naturdenkmal (Geotop) unter Schutz gestellt. Vom Museum aus dauert die Wanderung ungefähr eine Stunde.

Grischa Schwank

https://www.sauriermuseum-bellach.ch/führungen/

Das Hafenmuseum: Der Laute

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Rolf Schlebach, Präsident Hafenmuseum: «Wir haben für alle Altersklassen das passende Angebot.» Foto: Simon Thiriet

Die Schulklassen werden an diesem ausserschulischen Lernort zuerst durch den Hafen geführt, wo sich der Duft von Dieselmotoren mit dem Lärm vom Beladen der Schiffscontainer vermischt.

Museum? Das ist doch dort, wo man flüstern sollte und hinter Kordeln und Glas abgesperrte Objekte ehrfürchtig anstarrt. Nun, im Hafenmuseum gibt es schon auch klassische Museumsvitrinen, keine Angst. Hier kann es aber durchaus vorkommen, dass es «glöpft» und «dätscht». Denn das Hafenmuseum liegt mitten im Rheinhafen. Gleich neben dem Eingang werden Schiffe beladen. Oder dann rattert ein Güterzug hinter dem Gebäude seinem nächsten Ziel entgegen. Auch der Begrüssungssatz des Museumsführers ist alles andere als alltäglich: «Guete Daag! My Namme isch Rolf Schlebach und y bi uff eme Schiff uffgwaggse.»

Für eine Schulklasse beginnt das Erlebnis Hafenmuseum im Theoriesaal, wo zuerst die Schweizer Rheinhäfen vorgestellt werden. Dann geht es auf einen Hafenrundgang. Der 66-jährige Rolf Schlebach kann dabei aus dem Vollen schöpfen. Sein Vater war Kapitän, seine Mutter hat für den Haushalt auf dem Rheinschiff gesorgt. Er selbst hat als Kind in einem leeren Schiffsbauch das Velofahren erlernt und im Schiffer-Kinderheim die Schule besucht. «Es gibt wohl keine Frage von Schulklassen, die ich nicht beantworten kann», grinst er.

Seitdem das Hafenmuseum letzten Sommer renoviert wurde, ist der Ansturm gewaltig. «Wir haben zum Teil 13 Anfragen an einem Tag», so Schlebach. Deshalb sei es wichtig, dass Lehrpersonen frühzeitig einen Termin buchen. Wenn man das Museum einen Monat im Voraus buche, sei das optimal. Wobei: «Ich finde Museum das falsche Wort. Wir sind eigentlich eine Leistungsshow der Speditionsberufe», erklärt Rolf Schlebach.

Die Ausstellung hat auch den Zweck, die Besuchenden für die verschiedenen Hafenberufe zu begeistern. Von der Kapitänin zum Matrosen, von der Zolldeklarantin bis zum Staplerfahrer – zu all diesen Berufen erfährt man etwas in der Ausstellung. Gelebte Berufsbildung quasi. Und dann hat es eben auch die klassischen Museumsvitrinen, die alte Schiffsmodelle oder historische Dokumente zeigen. Oder man kann einen Film über das Schiffsunglück der Corona an der Mittleren Brücke 1984 anschauen. Im Simulator selbst ein Schiff steuern. Oder man betrachtet das nachgebaute und riesige Hafenmodell – das einzige Überbleibsel aus dem alten Museum.

Die Führungen können altersgerecht aufbereitet werden. Das Hafenmuseum bietet ausserdem Word-Dokumente mit Aufgaben für die Klasse an. Und zum Schluss kann der Besuch im Rheinhafen am Grillplatz neben dem Museum oder mit einem Spaziergang zurück zum Schulhaus beendet werden.

Simon Thiriet

https://hafenmuseum.ch/angebot-schulen/

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